Fragenkatalog

Innerhalb des Projektes KOMPASS wurde nach Auswertung bisheriger Seenotfälle und zahlreicher Gespräche mit verantwortlichen Personen in beteiligten Behörden, Institutionen und Organisationen ein Fragenkatalog zum Thema MANV auf See erarbeitet.
Die hier dargestellten Antworten auf ausgewählte Fragen des Kataloges entstanden aus dem Input der Partner sowie der assoziierten Partner des KOMPASS-Projektes – entsprechend ihren speziellen Kompetenzen. Weiterhin konnten wir uns über Zuarbeiten von diversen externen Personen freuen, die durch ihre haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit unmittelbar mit der Thematik einzelner Fragen vertraut sind und sich mit ihrem Sachver-stand in die Beantwortung eingebracht haben. Dafür möchten wir uns sehr herzlich bedanken!
Alle Antworten wurden nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet, vereinzelt nachrecherchiert und redaktionell bearbeitet. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Weitere Anregungen oder Ergänzungen sind jederzeit willkommen!

AIS - Automatic Identification System Go To Top

Wie ist der Einsatz des AIS geregelt?

In SOLAS Kapitel 5 – Sicherheit der Schifffahrt | Verordnung 19 existiert seit 2004 eine Regelung zur Ausrüstungspflicht der Berufsschifffahrt. Die Regelung beschreibt eine Ausrüstungspflicht mit AIS-Anlagen der Klasse A [1].

In der Erklärung zu SOLAS Kapitel 5 [2] steht: „However, warships, naval auxiliaries or other ships owned or operated by a Contracting Government and used only on Government non-commercial service are encouraged to act in a manner consistent, so far as reasonable and practicable, with this chapter.“ – wenn man dabei vor allem den letzten Teil betrachtet, so wird in diesem geschrieben, das diese auf eine Art und Weise so handeln sollen, sodass es für sie sinnvoll und durchführbar ist. Das heißt, dass es Zollbooten und ähnlichen Einheiten, erlaubt ist, ihr AIS Signal abzuschalten um somit den Seeverkehr besser überwachen und kontrollieren zu können.

Literatur
[1] Handbuch Nautik – 4.3 Automatic Identification System (AIS) von Ralf-Dieter Preuß
[2] SOLAS Kapitel 5 Safety of navigation Regulation1 – Application | Edition 2009

Begriffe Go To Top

Wann spricht man von einer Großschadenslage?

Der Begriff der Großschadenslage ist nicht definiert.

Ein „Großschadensereignis“ ist in der DIN 13050 definiert. Diese DIN definiert Begriffe aus dem Rettungswesen. Ein Großschadensereignis ist demnach definiert als: „Ereignis mit einer großen Anzahl von Verletzten oder Erkrankten sowie anderen Geschädigten oder Betroffenen und/oder erheblichen Sachschäden.“ [1]

Das Havariekommando hingegen bezeichnet große Ereignisse auf See als „Komplexe Schadenslagen“. Gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung existiert folgende Definition:
„Eine komplexe Schadenslage im Sinne dieser Vereinbarung liegt vor, wenn eine Vielzahl von Menschenleben, Sachgüter von bedeutendem Wert, die Umwelt oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs gefährdet sind oder eine Störung dieser Schutzgüter bereits eingetreten ist und zur Beseitigung dieser Gefahrenlage die Mittel und Kräfte des täglichen Dienstes nicht ausreichen oder eine einheitliche Führung mehrerer Aufgabenträger erforderlich ist." [2]

Literatur
[1] DIN 13050 vom April 2015, Seite 4
[2] Gesetz zu der Vereinbarung über die Errichtung des Havariekommandos und der Vereinbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen zwischen dem Bund und den Küstenländern vom 12. Dezember 2002, Anlage 1  §1(4)

Ist ein Kreuzfahrtschiff ein Kauffahrteischiff?

Der Begriff des Kauffahrteischiffes ist nicht gesetzlich definiert. Kauffahrteischiffe sind Seeschiffe, die zum Erwerb durch Seefahrt bestimmt sind oder dem Erwerb durch Seefahrt dienen. Für ein Kauffahrteischiff sind 3 Elemente wesenbestimmend:

die Schiffseigenschaft,
die Bestimmung für die Seefahrt und
der gewerbliche Einsatz. [1]

Kauffahrteischiffe sind Seeschiffe, die entweder zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmt sind, oder Seeschiffe, die dem Erwerb durch die Seefahrt dienen. Hinsichtlich der Begriffe wird unterschieden zwischen zur Seefahrt „bestimmt“ und zur Seefahrt „dienen“. Mit „bestimmt“ ist die Absicht des dauernden Seeerwerbs gemeint, während „dienen“ nur im Einzelfall „zum Seeerwerb verwandt“ bedeutet und somit nicht dauerhaft sein muss. Der Tatbestand des Erwerbs durch die Seefahrt liegt vor, wenn ein Schiff z.B. Personen oder Güter gegen Entgelt über See befördert (unmittelbarer Erwerb) oder wenn mit dem Schiff Hochseefischerei betrieben wird, welche nur durch die Seefahrt möglich ist (mittelbarer Erwerb). Der Verlust der Kauffahrteieigenschaften eines Schiffes ist dann gegeben, wenn die dauerhafte Bestimmung, dem Erwerb durch Seefahrt zu dienen, entfällt. [2]

Ein Kauffahrteischiff ist ein Handelsschiff, das dem Transport von Waren und Fahrgästen gegen Entgelt dient. [3]
Kreuzfahrtschiffe lassen sich somit unter dem Begriff Kauffahrteischiffe subsumieren.

Literatur
[1] Christian Bubenzer/Runa Jörgens „Praxishandbuch Seearbeitsrecht“ S. 19
[2] Norbert Krause „Praxishandbuch Schiffsregister“ S. 7
[3] Enzyklo.de

Was ist eine MIRG?

Die Maritime Incident Response Group (MIRG) wurde durch die International Maritime Rescue Federation ins Leben gerufen und besteht aus Feuerwehrleuten, die speziell für Einsätze auf Schiffen geschult und trainiert werden. Sie sind mit dem besonderen Einsatzumfeld auf einem Schiff vertraut und können die Schiffscrew bei einer Gefahrenlösung unterstützen. Trainingsschwerpunkte sind insbesondere die Brandbekämpfung, Unfälle mit Gefahrstoffen oder das Abbergen von Personen mit Hubschraubern zur Vorbereitung auf maritime Massenrettungsaktionen [1].
Im Jahr 2012 schlossen sich Frankreich, England, Belgien und die Niederlande zusammen und gründeten das MIRG-EU Projekt. Dabei wurden MIRG-Standard Operational Procedures (SOP’s) sowie Trainingsmethoden festgelegt. Die MIRG Teams verwenden kompatible Geräte, so dass sie im Falle eines lang andauernden Einsatzes interoperabel arbeiten können.
[1] imrfmirg.org

Was ist ein Schiff?

Der Begriff Schiff ist gesetzlich nicht definiert. Eine Begriffsbestimmung wurde nur durch die allgemeine Verkehrsauffassung und höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt. Im Seeschifffahrtsrecht versteht man unter einem Schiff einen „schwimmfähigen Hohlkörper von nicht unbedeutender Größe, der fähig und bestimmt ist, auf oder unter Wasser fortbewegt zu werden und Sachen und Personen zu tragen“. Nach dieser Definition versteht man unter einem „Schiff“:

  1. einen schwimmfähigen Hohlkörper, dessen Form nicht festgelegt und der von nicht ganz unbedeutender Größe ist. Maße oder Mindestmaße sind nicht vorgeschrieben und bestimmen sich jeweils nach dem Zweck der zur Anwendung heranzuziehenden Rechtsvorschriften. Auch Kleinfahrzeuge, welche nicht durch Muskelkraft, sondern mit einem Motor oder durch Wind angetrieben werden, können es durch ihre nicht unerhebliche Geschwindigkeit rechtfertigen, dass in Haftungsfragen das Binnenschifffahrts- oder Seerecht Anwendung findet.
  2. Der Hohlkörper muss fähig und dazu bestimmt sein, sich auf oder auch unter dem Wasser fortzubewegen oder fortbewegt zu werden. Danach ist ein eigener Antrieb auch für Seeschiffe nicht erforderlich. Es ist lediglich zu gewährleisten, dass eine Fortbewegung nach den hierfür einschlägigen Bestimmungen und Befähigungen vorliegt.
  3. Maßgeblich ist die Fähigkeit und Bestimmung, Personen oder Sachen zu tragen. Hiernach sind Bojen oder andere schwimmende Seezeichen wie unbemannte Leuchtfeuer keine Schiffe.

Damit zählen zu den Schiffen neben Fracht- und Passagierschiffen auch Schwimmkräne, Schwimmbagger, Feuerschiffe, Rohrleger, Schlepper und bewegliche Offshore Einrichtungen.

Nicht zu den Schiffen zählen schwimmende Badeanstalten, Wohnboote, schwimmende Gaststätten, Lagerschiffe, Schiffsbrücken, Flöße, Bohrinseln, Stromkonverter-Stationen in Offshore-Windparks, Amphibienfahrzeuge und Luftkissenfahrzeuge. [1] [2]

Literatur
[1] Norbert Krause Praxishandbuch Schiffsregister S.5/6
[2] Christian Bubenzer, Runa Jörgens Praxishandbuch Seearbeitsrecht S.19

 

Was ist ein Seenotfall?

Seenot ist ein Ereignis bei dem sich ein seetüchtiges Schiff, seine Besatzung oder Passagiere in unmittelbarer Gefahr befinden und sich nicht ohne fremde Hilfe aus der Gefahr befreien können.

Angler, Kitesurfer oder Schwimmer können nicht in Seenot geraten. Hierbei handelt sich um Wasserrettung. Falls möglich und erforderlich, wird die DGzRS auch tätig.

Ein umfassenderer Begriff wäre „Rettung auf See“, der dann auch Offshore Anlagen, Angler, Schwimmer, Kite-Surfer etc. erfassen würde.

Behandlung an Bord Go To Top

Welche Ausbildung muss ein Notarzt für den Einsatz auf See und den Flug mit einem Helikopter über See haben?

Es existiert derzeit keine nationale oder internationale gesetzliche Vorschrift über Zusatzqualifikationen (ziviler) Notärzte im Einsatz auf See. Organisationen, die derartige Einsätze anbieten und durchführen, haben in der Regel eigene Anforderungsprofile für Notärzte auf See erarbeitet. Das bedeutet, dass Notärzte nur nach Vorlage bestimmter Zusatzqualifikationen für die jeweiligen Organisationen tätig werden können.

Das Havariekommando schult seine Verletzten-Versorgungsteams (VVT) mit speziellen Lehrgängen. Die VVT´s rekrutieren sich aus kommunalen Land-Rettungsdiensten.
Die Anforderungen an diese Lehrgänge wurden in Zusammenarbeit mit der Expertengruppe Leitender Notärzte und mit der Arbeitsgemeinschaft der Feuerwehren See erarbeitet.

Diese Lehrgänge umfassen insbesondere folgende Inhalte [1], [2]:

  • Anlegen von Persönlicher Schutzausrüstung (Kälteschutzanzug, Rettungsweste)
  • Umgang mit Kommunikationsmitteln, Kommunikation mit dem Havaristen, Kommunikation mit der Hubschrauberbesatzung
  • „open survival training (Aufenthalt im Rettungsfloß)
  • Winschvorgänge (Abwinschen auf das Schiff, Aufwinschen von Patienten)
  • Bauliche Besonderheiten an Bord, bordeigene Brandbekämpfungs- und Rettungsmittel
  • Umgang mit „seetypischen“ Krankheiten (Ertrinken, Unterkühlung)
  • Einsatztaktiken
  • Grundlagen maritimes Englisch

In Gesprächen mit Mitgliedern von VVT’s wurde deutlich, dass eine solche Zusatzqualifikation unerlässlich für einen sicheren Einsatz auf See ist. Aus verschiedenen Gründen können diese Lehrgänge durch die einzelnen VVT-Mitglieder jedoch nur zu selten (ca. alle 2 Jahre) wahrgenommen werden. Ein tatsächlicher Trainingseffekt wird somit nicht erreicht. Die befragten Personen fühlten sich „qualifiziert, aber nicht trainiert“ und dementsprechend für einen Einsatz im Ernstfall nur ungenügend vorbereitet.

Auch Anbieter von privaten Offshore-Rettungsdiensten fordern von „ihren“ Notärzten spezielle Zusatzausbildungen. Dies sind insbesondere folgende Kurse:

  • HEMS- Kurs (Helicopter Emergency Medical Service) [3], [4]
  • DIVI-Kurs „Intensivtransport“ [5], [6]
  • BOSIET (Basic Offshore Safety, Induction & Emergency Training) [7]
  • HUET (Helicopter-Underwater-Escape-Training) [8]
  • Ausbilderqualifikation für "Ersthelfer--‐Offshore" Refresher-Kurse nach DGUV Standard [9]

Diese Ausbilderqualifikation setzt insbesondere voraus:

  • eine aktive rettungsdienstliche Tätigkeit mindestens auf dem Ausbildungsniveau eines Rettungssanitäters unter Supervision des kursverantwortlichen Arztes
  • Erfahrung in der Planung und Durchführung von Szenario-basierten Trainings
  • Kenntnisse der offshore-spezifischen Verhältnisse (Anlagen, Rettungskonzepte)
  • Kenntnisse über Telekonsultation
  • Grundkurse zu Arbeitsschutzthemen bei Offshore-Windparks (OWP) diverser Anbieter zu theoretischen und praktischen Kenntnisse über PSA, Rettung und sonstige offshore-spezifische Aspekte
  • Ausbildung im Bereich Höhenrettung

Die genannten Kurse enthalten allerdings in keinem Fall spezifische Anforderungen für den Fall „Einsatz an Bord eines Schiffes“, da sie sich entweder primär auf einen Einsatz mit dem Helikopter beziehen (ohne Spezifik See) oder auf Einsätze auf Offshore-Installationen fokussiert sind.

Literatur:
[1]       Michael Friedrich „Havariekommando- Spezialisten für modernes Notfallmanagement auf Nord- und Ostsee“ in: S. Schröder; D. Schneider-Bichel: Wasserrettung und Notfall-medizin- Medizinische und technische Herausforderungen an die Wasserrettung, ecomed Sicherheit 2010, S. 54ff
[2]       https://www.wsv.de/ftp/presse/2006/00331_2006.pdf
[3]       http://www.hems-academy.de/
[4]       http://www.windea-care.de/de/module/rettungshelikopter-hems-crew.html
[5]       www.divi-org.de
[6]       http://www.asklepios.de/upload/divi_its_Transport_12031.pdf
[7]       http://www.isc-ta.com/training/bosiet-offshore-training.html
[8]      http://www.marikom-elsfleth.de/offshoretraining/Inhalt-HUET/
[9]       http://www.dguv.de/medien/fb-erstehilfe/de/documents/info_offshore.pdf

Welche Ausrüstung muss ein Notarzt für den Einsatz auf See und den Flug mit einem Helikopter über See haben?

Die Notärzte, die im Auftrag des Havariekommandos in den Verletztenversorgungsteams mitarbeiten, haben eine einheitliche Ausrüstung, die in Zusammenarbeit von Havariekommando und der Expertengruppe Leitender Notärzte festgelegt wurde. Dazu gehören:

Schutzkleidung:

  • Kälteschutzanzug, dazugehörige Stiefel (keine Schnürschuhe, damit Schuhe beim Fall ins Wasser noch ausziehbar bleiben)
  • Helm
  • manuell auslösbare Rettungsweste (nicht durch Nässe auslösend, da im Einsatz Kontakt mit Spritzwasser möglich)

Medizinische Ausrüstung eines VVT [1]:

  • 1 Rucksack LNA SEE
    • Material für Sichtung und Dokumentation
    • Einsatzset Infusion+Schmerz
  • 1 Rucksack NA SEE
    • Einsatzset Infusion+Schmerz
    • Einsatzset Diagnostik+Atemwegsmanagement
    • Ampullarium
    • AED
    • Schienungs- und Verbandsmaterial
  • 4 Rucksäcke RA/RS
    • 2x Einsatzset Infusion+Schmerz
    • Einsatzset Diagnostik+Atemwegsmanagement
    • Schienungs- und Verbandsmaterial

Medizinische Zusatz-Ausrüstung eines VVT [1]:

  • 1 Rucksack MANV-12
    • 12x Einsatzset Infusion+Schmerz
    • Einsatzset Diagnostik+Atemwegsmanagement
    • Schienungs- und Verbandsmaterial
    • 1Beatmungstasche 2 Ltr. Sauerstoff
    • Rettungstrage und Spineboard

Literatur:
[1]          Vortrag Havariekommando, 15.4.2015, Cuxhaven

Kann ein Schiff extern mit Wasser versorgt werden?

Grundsätzlich kann man Schiffe mit externem Lösch- oder Trinkwasser versorgen. Es kommt jedoch immer auf die konkreten Bedingungen an.
Kann ein Hilfsschiff beispielsweise an einem Havaristen längsseits gehen und somit eine feste Verbindung herstellen, können von dort aus Löschschläuche ausgelegt und ein Löschangriff gestartet werden. Jedes Schiff verfügt auch immer über mindestens 1 ISO-Feuerlöschanschluss.

Die Versorgung mit externem Trinkwasser könnte möglicherweise so erfolgen, dass mit einem Hilfsschiff Wassertanks zum Havaristen gebracht werden, die eigentlich für den Landeinsatz konzipiert sind. Die Schiffsführung des Havaristen muss dann prüfen, ob die Tanks an Deck gestellt werden können oder ob die Versorgung vom Hilfsschiff aus erfolgt.
Die Marine sowie einige ausgewählte Häfen halten eigene Trinkwasserversorgungsschiffe sogenannte Waterbarge vor.

Bei allen Varianten muss die jeweilige konkrete Situation, insbesondere die meteorologischen Bedingungen bewertet werden, um zu einer Entscheidung bzw. Lösung des Problems zu kommen.

Brand an Bord Go To Top

Woher bekommen Besatzung und externe Helfer Informationen zur Lage an Bord?

Durch SOLAS wird ein Plan zur Organisation der Sicherheit an Bord von Seeschiffen festgelegt. Die sogenannte „Sicherheitsrolle“ (engl. Muster List) [1] ist dabei in verschiedene Gruppen (Schiffsführungsgruppe, Einsatzgruppe, Unterstützungsgruppe, Passagierbetreuungsgruppe, Reservegruppe) unterteilt. Für verschiedene Notsituationen an Bord (Brand, Person über Bord, Wassereinbruch) ist jedem Besatzungsmitglied (gegliedert nach Rang, Namen und Aufgaben) eine Rolle zugewiesen. Den einzelnen Gruppen sind verschiedene Führungskräfte sowie Decks- und Sonstiges Personal zugeordnet.
Beispielsweise sollten immer ein Erster Offizier sowie der Leitende Ingenieur in der Schiffsführungsgruppe, ein Technischer Offizier in der Einsatzgruppe und eine Deckskraft in der Unterstützungsgruppe vorgesehen sein. [2]

Die Schiffsführungsgruppe ist für die interne- sowie externe Kommunikation zuständig. Sie erhält dabei von der Einsatzgruppe Informationen über den Brand/ das Leck.
Im Falle eines Brandes wird der Schiffsführungsgruppe übermittelt, wo es brennt, was brennt, wie stark das Feuer ist, ob es Verletzte gibt und ob die Brandbekämpfung mit Bordmitteln zu bewältigen ist. Diese Informationen werden während der ersten Erkundung aufgenommen. Eine weitere Unterstützungsgruppe kann Informationen liefern und feststellen, was alles betroffen ist. Sie kann Informationen sammeln und weiterleiten, während die Einsatzgruppe mit der Brandbekämpfung beschäftigt ist. Die Schiffsführungsgruppe trifft daraufhin Entscheidungen über das weitere Vorgehen und die Einleitung der nächsten Schritte (Strategie, Auswahl der Löschmittel usw.).

Informationen über Ausfall von Antrieb, Steuerung oder anderen Systemen werden durch die technische Abteilung und/oder über Fehlermeldung (optische und akustische Signale im Maschinenraum, Computer im Maschinenkontrollraum oder Displays im Schiff) an die Besatzung/Schiffsführung übermittelt.

Je nach Seegebiet werden von der Schiffsführungsgruppe neben dem zuständigen Küstenland auch Schiffe in der Nähe informiert, um zusätzliche Hilfskräfte zu mobilisieren.

Literatur
[1] SOLAS Chapter III Reg 8/37
[2] BSU-Untersuchungsbericht 515/10

Welche Rauchgase können sich bei einem Brand an Bord entwickeln?

Während eines Brandes entstehen gasförmige Verbrennungsprodukte. Diese sind oft giftig. Bereits geringe Konzentrationen dieser Gifte schränken die Handlungsfähigkeit ein oder wirken sogar tödlich. Je nach Ladung bzw. Kraftstoff kann eine Vielzahl verschiedener Rauchgase entstehen, die typischsten sind jedoch die folgenden:

Kohlenmonoxid (CO)
Kohlenstoffmonoxid ist ein giftiges und heimtückisches Gas, da es keine Farbe und keinen Geruch besitzt und auch keine Atemnot auslöst. Eine akute Vergiftung äußert sich zuerst in Euphorie bzw. Gleichgültigkeit, dann folgen Kopfschmerzen, Benommenheit, Bewusstlosigkeit und Tod. Kohlenmonoxid verhindert im menschlichen Körper einen ausreichenden Sauerstofftransport, was zum Ersticken führt. CO ist etwas leichter als Luft. Eine Konzentration von ca. 0,3 Vol% führt zum Tod.

Kohlendioxid (CO2)
Es handelt sich um ein farbloses Gas mit einem leicht säuerlichen Geruch und Geschmack. Es ist schwerer als Luft, chemisch stabil und nicht brennbar. Es löst sich recht gut in Wasser. CO2 an sich ist nicht giftig. Bei einem zu hohen Kohlendioxidanteil in der Umgebung kann aber der menschliche Körper körpereigenes Kohlendioxid nicht mehr abgeben. Darüber hinaus wird durch das Einatmen ständig mehr Kohlendioxid aufgenommen. Beides zusammen kann zum Ersticken führen. Die Umgebungsluft enthält 0,03 Vol% Kohlendioxid. Eine Konzentration von ca. 12 Vol% führt zum schnellen Tod nach wenigen Minuten. Auch eine Konzentration von nur 8 % kann zum Tode führen, wenn die Person dieser Konzentration länger ausgesetzt ist.

Stickoxide (NOx)
Bei Verbrennungsvorgängen reagiert der Luftstickstoff (N2) mit dem Sauerstoff (O2) der Verbrennungsluft. Bei diesem Prozess entsteht vor allem Stickstoffmonoxid (NO), das erst in der Atmosphäre teilweise in das giftigere Stickstoffdioxid (NO2) umgewandelt wird. Die Summe von NO und NO2 wird als NOx bezeichnet. Das hochreaktive Gemisch von Stickoxiden zählt zu den wichtigsten Schadstoffen der Luft. Es begünstigt Atemwegserkrankungen und greift die Schleimhäute der Atemwege an. Ein Teil des eingeatmeten Stickstoffdioxids wird in der Lunge absorbiert und gelangt als giftiges Nitrit ins Blut.

Formaldehyd (CH2O)
Formaldehyd ist eine gasförmige, organische Verbindung, die in der Natur beispielsweise. bei der unvollständigen Verbrennung von kohlenstoffhaltigem Material entstehen kann. Das Gas ist farblos und hat einen stechenden Geruch. Formaldehyd wird durch den Atemtrakt, aber auch sehr gut über die Haut in den Körper aufgenommen. 95 - 100% des aufgenommenen Formaldehyds werden vom Körper nicht wieder als Formaldehyd abgegeben. Der größte Teil wird in den oberen Luftwegen festgehalten. Symptome bei kurzfristiger Formaldehyd-Belastung können Reizungen der Augen und Atemwege (Nase, Rachen Hals), Husten, Kopf- und Ohrenschmerzen sowie weitere allgemeine Zeichen des Unwohlsein sein.

Cyanwasserstoff (Blausäure) (HCN)
HCN ist eine farblose, nach bitteren Mandeln riechende Flüssigkeit. Sie ist sehr giftig. Da der Siedepunkt niedrig ist (25,7 °C), liegt ein Großteil des HCN bereits bei Normalbedingungen als Gas vor, erst recht im Falle eines Brandes. Blausäure entsteht bei der unvollständigen Verbrennung stickstoffhaltiger Stoffe. Die Blausäure blockiert in Sekundenschnelle Enzyme, die der Zellatmung und dem Sauerstoffstoffwechsel dienen. HCN kann über die Atmung oder auch durch die Haut in den Körper gelangen. Eine Konzentration von ca. 0,028 Vol% führt zum sofortigen Tod.

Chlorwasserstoff (HCl)
ist ein farbloses, stechend riechendes Gas. Es löst sich sehr gut in Wasser: unter Normalbedingungen löst 1 l Wasser ca. 500 l HCl-Gas. Die Lösung von Chlorwasserstoff in Wasser nennt man Salzsäure. Speziell bei Kunststoffbränden (PVC) kommt es zu einer erhöhten Konzentration von Chlorwasserstoff. HCl ist ein Atemgift und hat eine Reiz- und Ätzwirkung auf Augen, Schleimhäute der Atmungsorgane und auf das Lungengewebe des Menschen. Schon geringe Konzentrationen sind kaum erträglich. Zur Bildung eines Lungenödems kann es noch 24 bis 48 Stunden nach Einatmen des Reizgases kommen. Eine Konzentration von ca. 0,2 Vol% führt zum Tod.

Schwefeldioxid (SO2)
Schwefeldioxid ist ein farbloses, stechend riechendes Gas. Das Gas ist in Wasser und in vielen organischen Lösungsmitteln außerordentlich gut löslich. Es ist 2,3 mal schwerer als Luft. Schwefeldioxid wirkt auf viele Organismen giftig. Mikroorganismen werden in ihrem Wachstum gehemmt.

Phosgen (COCl2)
Phosgen ist ein sehr gefährliches Atemgift, das selbst in geringsten Konzentrationen tödlich wirkt. Der Geruch des farblosen Gases erinnert an faules Heu. Die ersten Vergiftungssymptome zeigen sich in Atemnot, Husten und Tränenreiz. Bei einer akuten Vergiftung treten Lungenödeme und eventuell Herzstillstand nach einer mehrstündigen Latenzzeit auf. Mit Wasser zersetzt es sich langsam unter Bildung von Kohlendioxid und Chlorwasserstoff. Eine Konzentration von ca. 0,1 Vol% führt zum Tod.

Mineralölprodukte stellen die größte Menge der weltweit mit Schiffen transportierten Gefahrgüter. Höher siedende Mineralölprodukte enthalten oft eine zunehmende Anzahl von aromatischen und heterozyklischen Verbindungen, die bei einem Brand zu sehr giftigen Gasen reagieren können. Bei der Brandbekämpfung muss daher immer ein Atemschutzgerät getragen werden!

    Mineralölprodukt Hauptsächlich zu erwartende Rauchgase im Brandfall
    (I)    Rohbenzin Wasserdampf, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid
    (II)   Diesel Wasserdampf, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid
    (III) Heizöl Wasserdampf, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Blausäure
    (IV) Schweröl Wasserdampf, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Blausäure, Phosgen, Dioxine,Formaldehyd

Kann ein Schiff extern mit Wasser versorgt werden?

Grundsätzlich kann man Schiffe mit externem Lösch- oder Trinkwasser versorgen. Es kommt jedoch immer auf die konkreten Bedingungen an.
Kann ein Hilfsschiff beispielsweise an einem Havaristen längsseits gehen und somit eine feste Verbindung herstellen, können von dort aus Löschschläuche ausgelegt und ein Löschangriff gestartet werden. Jedes Schiff verfügt auch immer über mindestens 1 ISO-Feuerlöschanschluss.

Die Versorgung mit externem Trinkwasser könnte möglicherweise so erfolgen, dass mit einem Hilfsschiff Wassertanks zum Havaristen gebracht werden, die eigentlich für den Landeinsatz konzipiert sind. Die Schiffsführung des Havaristen muss dann prüfen, ob die Tanks an Deck gestellt werden können oder ob die Versorgung vom Hilfsschiff aus erfolgt.
Die Marine sowie einige ausgewählte Häfen halten eigene Trinkwasserversorgungsschiffe sogenannte Waterbarge vor.

Bei allen Varianten muss die jeweilige konkrete Situation, insbesondere die meteorologischen Bedingungen bewertet werden, um zu einer Entscheidung bzw. Lösung des Problems zu kommen.

Deutsche Küstenwache Go To Top

Was ist die Deutsche Küstenwache?

Seit langem gibt es die grundsätzliche Einsicht in die Notwendigkeit einer zentralen Koordination der mit maritimen Aufgaben betrauten Behörden. Das Ziel ist die wirkungsvolle Verbesserung der Zusammenarbeit. Im Jahr 1994 wurde daher auf Grundlage eines Bundestagsbeschlusses der Koordinierungsverbund Küstenwache für die Bundesvollzugskräfte auf See gegründet. Darin waren folgende Behörden integriert:

  • die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bzw. die angeschlossenen Wasser- und Schifffahrtsämter WSV /WSA,
  • die Bundespolizei See,
  • die Zollverwaltung speziell mit der Abteilung „Wasserzoll“,
  • der Fischereischutz (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung BLE) und
  • beratend das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU).

Die Küstenwache war keine eigene Behörde, sondern eine behördenübergreifende Verabredung zur Kooperation. Diese sollte durch räumliche Konzentration verantwortlicher Personen, geregeltem Informationsaustausch, gemeinsamen Übungen, Abstimmung von Einsatzgebieten sowie Aufgaben- und Ressourcenteilungen unterstützt werden.
Dieser Verbund kann nicht mit einer eigenen Institution wie beispielsweise der „Coast Guard“ in den USA gleichgesetzt werden.

Um eine gleichmäßige Verteilung der bundeseigenen Einsatzmittel wie Schiffe oder Hubschrauber zu gewährleisten, wurden zwei Küstenwachzentren eingerichtet. Das Küstenwachzentrum in Cuxhaven umfasste den Bereich der Nordsee und das Küstenwachzentrum in Neustadt/Holstein war für die Ostsee vorgesehen. Die originären Zuständigkeiten mit dem Weisungsrecht für die einzelnen Fahrzeuge verblieben jedoch bei den jeweiligen Behörden.

Aus dem Koordinierungsverbund Küstenwache wurden nach dem Unglück der Pallas im Jahr 1998 das Maritime Sicherheitszentrum Cuxhaven (MSZ) und das Havariekommando aufgebaut. 2007 nahm das Gemeinsame Lagezentrum See (GLZ See) in Cuxhaven seinen Wirkbetrieb auf.
Das GLZ See ist in das Maritime Sicherheitszentrum integriert und ermöglicht allen beteiligten Behörden eine gemeinsame Erstellung von Lagebildern sowie deren kooperative Bearbeitung. Inzwischen arbeiten dort die Leitstellen der Bundespolizei See, des Zolls und der Wasserschutzpolizeien (Leitstelle der 5 Landespolizeien) sowie ein Verbindungsmann zur Marine mit dem Havariekommando zusammen. In einer Komplexen Schadenslage übernimmt das Havariekommando unter Beteiligung eines Führungsstabes aus den genannten Behörden die Koordinierung aller Einsatzkräfte.

Der ehemalige Koordinierungsverbund Küstenwache wird nun also durch das Maritime Sicherheitszentrum Cuxhaven abgebildet. Obwohl es den Koordinierungsverbund in der ursprünglichen Form somit nicht mehr gibt, wird die Aufschrift „Küstenwache“ von mehreren Wasserfahrzeugen weiterhin genutzt. Die Wasserfahrzeuge des Zolls, der Bundespolizei See, der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie der Fischereiaufsicht tragen nach wie vor das Wappen und die Aufschrift „KÜSTENWACHE“.

Neben dem Koordinierungsverbund Küstenwache, der durch den Bund initiiert wurde, bestand im Bundesland Schleswig-Holstein von 1995 bis zur Auflösung Ende 2005 eine selbstständige Küstenwache. Sie war ein Verbund der Wasserschutzpolizei Schleswig-Holsteins sowie verschiedener anderer Landesbehörden wie beispielsweise dem Amt für ländliche Räume und dem Landesamt für Natur und Umwelt.
Zwischen dem Koordinierungsverbund Küstenwache des Bundes und der Küstenwache Schleswig-Holsteins gab es keine bzw. nur indirekte wechselseitige Weisungskompetenzen.
Viele Schiffe dieses Verbundes in Schleswig-Holstein tragen jedoch nach wie vor die nach außen hin sichtbare Kennzeichnung „KÜSTENWACHE“.

Die Schaffung einer tatsächlichen Küstenwache in Form der personellen, technischen und organisatorischen Zusammenlegung der bisherigen Behörden zu einer gemeinsamen Behörde ist bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen. Bis heute konnte dieses Vorhaben jedoch nicht umgesetzt werden.

Literatur:
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes „Sicherheitskonzept deutsche Küste“
Matthias Schütte, Kapitel „Küstenwache“ in: Hans- Jürgen Lange(Hrsg.) „Wörterbuch zur inneren Sicherheit“, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1. Auflage 2006
Detlef Buder zur einheitlichen Küstenwache, Landtagsrede vom 12.11.2008 zu TOP 19: „Einheitliche Küstenwache Konsequenzen aus dem Pallas-Unglück“, (Drucksache 16/2288)
Pressemitteilung Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. „Gutachten für Deutsche Küstenwache gefordert „Amtshilfe“ und „Organleihe“ reichen nicht/SDN fordert Politik zum Handeln auf“, Husum, den 31.3.11
https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCstenwache_des_Bundes

DGzRS Go To Top

Wofür ist die DGzRS zuständig?

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ist die deutsche nichtstaatliche Seenotrettungsorganisation. Sie ist zuständig für den Such- und Rettungsdienst (SAR: Search and Rescue) bei Seenotfällen.

Evakuierung Go To Top

Wann läuft ein Evakuierungsprozess an Bord ab?

Die Evakuierung aller Personen von Bord wird notwendig, wenn die Unfallschwelle im Zusammenhang mit einem Brand überschritten wird. Im Zusammenhang mit einem Brand gilt lt. SOLAS als Unfallschwelle:

„1. der Verlust des Raumes der Entstehung des Brandes bis zu den nächstgelegenen Trennflächen der Klasse "A", die Teil dieses Raumes sein dürfen, sofern der Raum durch ein fest eingebautes Feuerlöschsystem (Sprinkleranlage) geschützt ist, oder
2. der Verlust des Raumes der Entstehung des Brandes und benachbarter Räume bis zu den nächstgelegenen Trennflächen der Klasse "A", die nicht Teil dieses Raumes sind.“ [1]

Trennflächen der Klasse A sind Schotte und Decks, die folgenden Anforderungen genügen:

  • sie sind aus Stahl oder einem anderen gleichwertigen Werkstoff hergestellt;
  • sie sind in geeigneter Weise versteift;
  • sie sind mit einem zugelassenen nichtbrennbaren Werkstoff derart isoliert, dass weder die Durchschnittstemperatur auf der dem Feuer abgekehrten Seite nicht um mehr als 140°C über die Anfangstemperatur hinaus ansteigt und an keinem Punkt einschließlich der Stoßfuge eine Temperaturerhöhung von mehr als 180°C über die Anfangstemperatur hinaus innerhalb der nachfolgend angegebenen Zeit eintritt:
    Klasse A60   -     60 Minuten
    Klasse A30   -     30 Minuten
    Klasse A15   -     15 Minuten
    Klasse A0     -       0 Minuten;
  • sie sind so gebaut, dass sie den Durchgang von Rauch und Flammen bis zur Beendigung des einstündigen Normal-Brandversuches verhindern, und
  • die Verwaltung hat in Übereinstimmung mit dem Code für Brandprüfverfahren einen Versuch an einem Muster-Schott oder -Deck vorgeschrieben, um sicherzustellen, dass es den obigen Vorschriften über die Widerstandsfähigkeit und Temperaturerhöhung entspricht. [2]

Sobald das Schiff im Falle eines Brandes an Bord keinen sicheren Ort mehr für Passagiere und Crew darstellt, oder ein Brand mit Bordmitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist, ist eine Evakuierung notwendig.

Ebenso wird eine Evakuierung in einer Notsituation notwendig, in welcher Wasser in ein Schiff eindringt und dadurch die Schwimmfähigkeit sowie Stabilität nicht mehr gegeben sind. Dies wäre lt. SOLAS der Fall, wenn mehr als zwei wasserdichte Abteilungen betroffen sind. [3]
Jede Notsituation abhängig vom Schiffstyp, der Bauart, den vorherrschenden Wetterbedingungen und der Art des Schadens stellt immer eine individuelle Situation für die Schiffsführung dar. Für eine notwendig werdende Berechnung der Leckstabilität ist ggf. vom tatsächlichen Beladungszustand des Schiffes auszugehen. SOLAS schafft hier für Fahrgastschiffe noch eine zusätzliche Regelung. [4] Auf allen Fahrgastschiffen muss auf der Kommandobrücke ein Entscheidungshilfesystem zur Bewältigung von Notfallsituationen vorhanden sein. Das Entscheidungshilfesystem muss aus gedruckten Notfallplänen bestehen. Darin müssen alle vorhersehbaren Notfallsituationen dargestellt und Vorgehensweisen festgelegt sein, insbesondere für Brand und Beschädigung des Schiffes. Nur so bieten Sie dem Kapitän eine Entscheidungshilfe in komplexen Notfallsituationen. Zusätzlich zu gedruckten Notfallplänen ist auch die Verwendung eines rechnergestützten Entscheidungshilfesystems - zur Zusammenstellung von Maßnahmen - auf der Kommandobrücke möglich.

Literatur
[1] SOLAS 74/2014 Ch.II-2 Regulation 21
[2] SOLAS 74/2014 Ch.II-2 Regulation 3
[3] SOLAS 2004 Ch.II-1 Regulation 8
[4] SOLAS 2014 Ch.III Part B-II Regulation 29

 

Wie läuft ein Evakuierungsprozess an Bord ab?

Gibt es eine Notstromversorgung an Bord? Können damit noch Vakuumtoiletten betrieben werden?

Wichtige Systeme auf der Brücke sowie eine definierte Anzahl an Notbeleuchtungen werden im Falle eines Stromausfalls vom Notstromgenerator versorgt und funktionieren i.d.R. noch für 36 Stunden. [1]
Fahrgastschiffe, die nach 2010 gebaut wurden und die nach den Safe Return to Port (SRtP) Regularien ausgerüstet sind, müssen mit einer redundanten Stromversorgung ausgerüstet sein. [2] Diese soll ein sicheres Erreichen des nächsten Hafens ermöglichen und für eine Versorgung wichtiger Systeme an Bord sorgen. Dazu zählen im Passagierbereich beispielsweise die Kimaanlage oder eine gewisse Anzahl an Toiletten. Fahrgastschiffe, die nicht nach den SRtP Vorschriften gebaut wurden, besitzen bei einem Stromausfall keine funktionierenden Toiletten mehr.

Literatur
[1] SOLAS Consolidated 2014 -  Chapter II- 1 Part D Regulation 42
[2] SOLAS Consolidated 2014 – Chapter II- 2 Part G Regulation 21

Bis zu welchen Trimm- und Krängungswinkeln müssen Rettungsmittel einsetzbar sein?

Rettungsmittel wie Boote oder MES-Systeme (Marine Evakuation System) müssen bis zu einem Trimm von 10° sowie einer seitlichen Krängung von bis zu 20° aussetzbar sein [1].

Alle an Bord gemusterten Seeleute müssen unabhängig von ihrer Dienststellung an einer Sicherheitsgrundausbildung (Basic Safety Training) nach Regel VI/1 des STCW-Übereinkommens in Verbindung mit Abschnitt A-VI/1 des STCW-Codes teilgenommen haben. Nach erfolgreicher Teilnahme wird ein Befähigungsnachweis über diese Ausbildung vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ausgestellt [2]. Bestandteil dieser Ausbildung sind grundlegende Informationen zu Rettungsmitteln und -systemen.

Die Besatzung wird durch regelmäßige Schulungen an Bord sowie durch regelmäßige Übungen in der Handhabung der Rettungsmittel trainiert [3].

Literatur
[1] IMO, Internationaler Rettungsmittel –(LSA)- Code | Kapitel VI – Aussetz- und Einbootungsvorrichtungen
[2] Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt e.V. (Ausbildung -> Anforderungen/Unterlagen) berufsbildung-see.de
[3] SOLAS 2014 Chapter III Regulation 20

Hafen Go To Top

Welche deutschen Häfen sind ausgewiesen für den Anlauf eines Schiffes mit infizierten Personen?

Für die Beantwortung der Frage müssen die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) zu Rate gezogen werden, die von der Weltgesundheitsorganisation 2005 erlassen wurden. Für deren Umsetzung in Deutschland wurde 2013 das „Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften“ durch den Deutschen Bundestag beschlossen. Zuständig für die Umsetzung der Vorschriften sind die Landesbehörden, also die Gesundheitsämter bzw. der Hafenärztliche Dienst der Länder.

Gemäß der genannten Durchführungsverordnung sind die Häfen der Städte Bremen, Bremerhaven, Kiel, Rostock und der Jade-Weser-Port Wilhelmshaven die in Deutschland ausgewiesenen Häfen für den möglichen Anlauf von Schiffen, von denen eine Gefahr durch Infektionskrankheiten ausgeht. Sie werden entsprechend der WHO als benannte Häfen gemeldet. Diese Häfen sind zur Vorhaltung bestimmter Kapazitäten verpflichtet, die in sehr allgemeiner Form im Anhang der IGV aufgeführt sind, u.a.:

  • Sicherstellung geeigneter medizinischer Dienste einschließlich Diagnoseeinrichtungen, geeignetem Personal, geeigneter Ausrüstung und geeigneten Räumlichkeiten, die so gelegen sind, dass eine sofortige Untersuchung und Versorgung erkrankter Reisender möglich ist
  • Sicherstellung von Ausrüstung und Personal für den Transport erkrankter Reisender zu geeigneten medizinischen Einrichtungen
  • sichere Umgebung für Reisende gewährleisten, darunter die Trinkwasserversorgung, Speiseräume, Waschräume, geeignete Entsorgungseinrichtungen
  • Untersuchung und Versorgung von betroffenen oder verdächtigen Reisenden oder Tieren sicherstellen und nötigenfalls für die Quarantäne betroffener oder verdächtiger Reisender oder Tiere entfernt gelegene Einrichtungen zur Verfügung stellen
  • geeignete, von anderen Reisenden getrennte Räumlichkeiten für die Befragung verdächtiger oder betroffener Personen bereitstellen;
  • empfohlene Maßnahmen zur Befreiung von Insekten, zur Entrattung, zur Desinfektion, zur Entseuchung oder zur sonstigen Behandlung von Gepäck, Fracht, Containern, usw. ermöglichen

Der jeweilige Hafenbetreiber muss für die Umsetzung dieser Anweisungen sorgen, an der Finanzierung beteiligt sich das Land. Neben den bereits beschriebenen vorzuhaltenden Kapazitäten muss ein geeigneter Liegeplatz benannt sein, Lagermöglichkeiten für die vorzuhaltenden medizinischen Ausrüstungen geschaffen und diese bestückt werden. Der Hafenbetreiber kann diese Aufgaben durch Verträge an Dritte übertragen. Er muss jedoch die Erfüllung seiner Aufgaben der obersten Landesgesundheitsbehörde nachweisen.Die dargestellten Kapazitäten beschreiben allgemein die notwendigen Mindestanforderungen. Das Robert-Koch-Institut soll laut Durchführungsverordnung Empfehlungen für die Konkretisierung der Maßnahmen für die jeweiligen Häfen an die oberste Landesgesundheitsbehörde geben, die letztlich über die konkret vorzuhaltenden Kapazitäten bestimmt und deren Beschaffung und Bereitstellung anweist. Die konkrete Ausstattung der Häfen ist also letztendlich wieder Sache der jeweiligen Länder.

Der Hafenbetreiber muss zudem einen Notfallplan für gesundheitliche Notlagen ausarbeiten und pflegen. Der Plan muss der obersten Landesgesundheitsbehörde vorgelegt werden. Dies gilt für alle Häfen, in den Schiffe aus Ländern außerhalb des Schengen-Abkommens und der EU ankommen, also ggf. auch für nicht im IGV gesondert benannte.

Die Entscheidung, ob ein Schiff aus Gebieten mit möglicher oder bestätigter Gesundheitsgefahr kommend einen benannten Hafen anlaufen muss, trifft das Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam mit dem BMVI. Diese beiden Ministerien dürfen in gegenseitiger Abstimmung zudem anordnen, dass Schiffe ihre an Bord festgestellte gesundheitliche Lage nach außen geeignet anzuzeigen haben (z.B. durch Flaggen oder Lichtzeichen).

Die Entscheidung, ob ein Schiff, auf dem eine Gesundheitsgefahr festgestellt wird, einen benannten Hafen anlaufen muss, trifft die zuständige Behörde des ursprünglich geplanten Bestimmungshafens. Nach derzeitigem Recht (siehe weiter unten) darf ein Anlaufen nach Abwägen der möglichen Gefahren aber auch vollständig verweigert werden.

Nationale Anlaufstelle für alle verpflichtenden Krankheits-Meldungen im Zusammenhang mit dem IGV ist das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) im Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, welches wiederum eine Fachbehörde des Bundesinnenministeriums BMI ist, d.h. die zuständigen Gesundheitsbehörden bzw. hafenärztliche Dienste müssen bei der Feststellung von bestimmten, von der WHO festgelegten, Krankheiten das GMLZ informieren. Die Entscheidung, ob vom GMLZ im Falle der Meldung einer ansteckenden Krankheit eine Weitermeldung an die WHO erfolgen muss, trifft das Robert-Koch-Institut. Dies gilt ebenso für den umgekehrten Weg: Falls seitens der WHO Meldungen über ansteckende Krankheiten beim GMLZ eingehen, entscheidet das Robert-Koch-Institut darüber, ob und an welche Behörden diese Informationen verteilt werden.

Auch wenn die Schaffung von benannten Häfen mit besonderes für den Gesundheitsschutz ausgelegten Kernkapazitäten durch die IGV vorgeschrieben ist, so ist das Recht auf Anlaufen eines solchen Hafens nicht rechtlich festgelegt. Dies gilt auch für andere Schiffshavarien: Das uneingeschränkte Recht, einen Nothafen anlaufen zu dürfen ist derzeit (2015) weder in EU-Recht noch in nationalen Regelungen niedergelegt. Der Staat, zu dessen Hafen das Schiff Zugang erbittet, muss eine Interessenabwägung treffen. Der Zugang darf verwehrt werden, wenn die Gefahren durch Einlaufen des Havaristen größer sind als bei seinem Verbleib auf See.

Nach derzeitigem Stand gibt es keine festgeschriebenen Standards für einen Nothafen oder Notliegeplatz, zudem sehen die EU-Richtlinien auch keine ausdrückliche Ausweisung von Notliegeplätzen für andere Schiffshavarien, wie z.B. Brand, vor. Die Zuweisung in geeignet erscheinende Häfen obliegt einer Einzelfallentscheidung der zuständigen nationalen Behörden.

In Deutschland gilt die „Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Freien Hansestadt Bremen, der Freien und Hansestadt Hamburg und den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein über die Zuweisung eines Notliegeplatzes im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge“. Dementsprechend übermitteln die Hafenkapitäne und die Wasser- und Schifffahrtsämter dem Havariekommando eine Beschreibung der Liegeplätze mit Angaben insbesondere über Abmessungen, Tidefenster usw. sowie darüber hinaus deren Ausrüstung mit Unfallbekämpfungsgerät, Krane, Anschlüsse und die Abstände zur Bebauung.

Die Entscheidung über die Auswahl und Zuweisung zu einem Notliegeplatz trifft letztendlich der Leiter des Havariekommandos.

Literatur:
1. Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV-Durchführungsgesetz - IGV-DG) vom 21. März 2013 (BGBl. I S. 566)
2. Inken von Gadow-Stephani „Der Zugang zu Nothäfen und sonstigen Notliegeplätzen für Schiffe in Seenot“, Springer Verlag 2006,
3. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/10819, 24.10. 2012

Gibt es eine Klassifizierung für Häfen?

Eine offizielle Klassifizierung für Häfen gibt es nicht.

Von einzelnen Ländern werden sogenannte Seehandbücher veröffentlicht. Darunter befinden sich beispielsweise die Handbücher für Deutschland, welche vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) [1] herausgegeben werden oder für Großbritannien die Admiralty Sailing Directions des Herausgebers United Kingdom Hydrographic Office (UKHO) [2].

Für das Projektthema relevant sind die vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie herausgegebenen Seehandbücher

  • Nordsee-Handbuch Südöstlicher Teil (Lister Tief bis Ems) und
  • Ostsee-Handbuch Südwestlicher Teil (Flensburg bis Süd-Schweden und Szczecin).

Die Seehandbücher werden vom BSH alle 3 Jahre neu herausgegeben. Sie dienen der Küstennavigation und enthalten Angaben, die aus den Seekarten nicht oder nur unvollkommen zu ersehen sind. Sie stellen nur einen Sollzustand für den jeweiligen Bereich dar [3]. Ein Seehandbuch besteht prinzipiell aus 4 Teilen A-D. Im jeweiligen Teil C finden sich Informationen zur Küste, Fahrwasser, Ankerplätzen und Häfen.

In den Seehandbüchern finden sich somit neben Angaben zu

  • Signalen (Schleusensignalen, Fahrwegen für Brückendurchfahrten),
  • Lotsen (Wann, Wo, Wie und Wer),
  • Naturverhältnissen (Wasserständen, Gezeitenströmen) auch Angaben zu
  • Liegeplätzen (Kailängen, max. Fahrzeugabmessungen wie Länge, Breite, Tiefgang und Tonnage, Fahrwassern und sonstigen Besonderheiten/Einschränkungen wie Fischerei oder Sportschifffahrt) [3].

Literatur
[1] bsh.de
[2] ukho.gov.uk
[3] Ostsee-handbuch südwestlicher Teil – Flensburg bis S-Schweden und Szczecin (21. Auflage | 2015)

Havariekommando Go To Top

Was ist die Grobecker Kommission? Welcher Bezug besteht zum Havariekommando?

Am 29.10.1998 lief die “Pallas” - ein in Brand geratener Holzfrachter unter der Flagge der Bahamas und im Besitz einer italienischen Reederei - vor Amrum auf Grund. Die unabhängige Experten-Kommission, die unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums im Februar 1999 eingerichtet worden war, trug den Namen des Bremer Ex-Finanzsenators Claus Grobecker.

Die Grobecker-Kommission kam zu dem Schluss, dass die seinerzeit bestehende Organisation der Notfallhilfe mit einer Vielzahl von Beteiligten den Anforderungen nicht gerecht wurde und offenbarte die mangelnde Koordination [1].

Am 16.02.2000 legte die Kommission in ihrem Bericht 30 Empfehlungen für ein verbessertes Notfall-Konzept für die deutschen Küsten an Nord- und Ostsee vor. Die wichtigsten Punkte zur Verbesserung einer maritimen Notfallhilfe waren insbesondere:

  • Schaffung einer Seewache aus allen mit Aufsichtsaufgaben betrauten auf See tätigen Dienste des Bundes (BGS (jetzt BPolSee), Zoll, Fischereiaufsicht, WSV) und diese einem Havariekommando zu unterstellen [2]
  • Vorhaltung von Notfallschleppern mit angemessenen Pfahlzugkapazitäten für Notschleppeinsätze in Nord- und Ostsee [3]
  • Vorsorgeplanung und Angebot von Trainingsprogrammen und Schulung für alle beteiligten Kräfte [4]

Die Einrichtung eines Havariekommandos von Bund und Ländern 2003 in Cuxhaven war ein wichtiger Baustein aus dem Maßnahmen-Paket zur Neukonzipierung der maritimen Notfallvorsorge in den deutschen Küstengewässern und der AWZ. In Folge wurden weitere Maßnahmen ergriffen wie:

  • Einrichtung eines gemeinsamen Maritimen Sicherheitszentrums (MSZ),
  • Umsetzung eines Notschleppkonzeptes,
  • Entwicklung eines Notliegeplatzkonzeptes,
  • Einsatz von Gewässerschutzschiffen (Schadstoff- und Unfallbekämpfung) [5].

Literatur
[1] Unabhängige Expertenkommission „Havarie Pallas“; Bericht; S.26
[2] Unabhängige Expertenkommission „Havarie Pallas“; Bericht; Empfehlung Nr. 1  S.76
[3] Unabhängige Expertenkommission „Havarie Pallas“; Bericht; Empfehlung Nr. 6/7  S.81/82
[4] Unabhängige Expertenkommission „Havarie Pallas“; Bericht; Empfehlung Nr. 2 und 12  S.77 und 87
[5] BMVI, www.bmvi.de/maritime-notfallvorsorge

Marine Go To Top

Welche für einen Einsatz auf See qualifizierten Ärzte hat die Marine und wie sind diese für einen zivilen Einsatzfall verfügbar?

Ärzte bei der Marine sind speziell für den Einsatz auf See ausgebildet. Marineärzte sind an Land jedoch kaum verfügbar. In aller Regel ist ein Marine-Schiffsarzt an Bord seiner Einheit und mit dieser oft weltweit unterwegs. An Land ist ein Marine-Schiffsarzt i.d.R. im Freizeitausgleich, Urlaub oder auf Weiterbildung. Die Verfügbarkeit in einem zivilen Notfall ist daher als gering einzuschätzen und zudem nicht planbar. Nur ein geringer Teil der Bundeswehrärzte gehört überhaupt der Marine an, die meisten sind in den Sanitätszentren der Bundeswehr beschäftigt.

Über welche medizinischen und personellen Kapazitäten verfügt ein Einsatzgruppenversorger und wie ist die Verfügbarkeit?

Die Marine verfügt derzeit über drei Einsatzgruppenversorger: die „Berlin“, die „Frankfurt am Main“ und die „Bonn“, die alle in Wilhelmshaven stationiert sind. Die logistische Hauptaufgabe des Schiffes besteht in der Versorgung der Einheiten mit Betriebsstoffen, Verbrauchsgütern, Proviant und Munition. Im Wesentlichen gehören dazu Kraftstoff und Öl, Frischwasser, Proviant, Munition und Verbrauchsgüter. Der Kraftstoffvorrat eines EGV für den Eigenbedarf und zur Abgabe an andere Einheiten beträgt ca. 9.500 m³. Die an Bord verfügbare Frischwassermenge wird aus eigenen Frischwassererzeugern (Tagesleistung: 25 m³) permanent ergänzt, so dass auch Wasser an andere Einheiten abgegeben werden kann. Es können ca. 230t Proviant in Tiefkühllasten und Trockenproviant-Lagerräumen mitgeführt werden. Zusätzlich verfügt das Schiff an Oberdeck über Stellplätze für zwölf Standard-20 FT-See-Container – dies kann genutzt werden für den Aufbau eines Marineeinsatzrettungszentrums (MERZ) zur medizinischen Versorgung. Ein EGV kann zwei Sea King M41 Hubschrauber an Bord transportieren [1]. Standardmäßig befinden sich 159 Mann Besatzung an Bord, die bis auf 233 aufgestockt werden kann.

Die Deutsche Marine beteiligt sich zurzeit mit dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ an dem EU-Einsatz im Mittelmeer zur Rettung von in Not geratenen Flüchtlingen. Generell sind alle EGV oft und auch für längere Zeiträume in internationale Missionen eingebunden, so dass ihre Verfügbarkeit für einen Einsatz in der Ost- oder Nordsee nicht vorausgesetzt und ihr Einsatz bei einem MANP auf See daher nicht fest eingeplant werden kann.

[1]  www.marine.de

In wie weit sind die Mittel der Marine in das Konzept des Havariekommandos eingebunden?

Die technischen und personellen Mittel der Marine sind nicht planbar, da sich ihre Verfügbarkeit ständig ändert. Ein Großteil des Personals und der Einsatztechnik der deutschen Marine ist ständig in internationale Aktionen eingebunden und dementsprechend selten an der Nord- bzw. Ostseeküste in relevanten Größenordnungen präsent. Hinzu kommen lange Rüstzeiten bei den medizinischen Einsatzmitteln wie dem MERZ, die einem schnellen Einsatz nach einem Unfall auf See entgegenstehen.

Eine feste Planung mit Marineeinheiten für die Bewältigung einer Großschadenslage auf See ist daher nicht möglich. Dennoch werden natürlich in einem solchen Fall die verfügbaren Kapazitäten vom Havariekommando abgefragt und eingesetzt. Für die entsprechende Zusammenarbeit ist ein Vertreter der Marine in die Arbeit des Einsatzstabes des Havariekommandos in Cuxhaven integriert.

Wie viele Mobile Medizinische Einsatzzentren der Marine sind derzeit verfügbar?

Die Nutzung eines Marineeinsatzrettungszentrums (MERZ) ist in der Regel an einen Einsatzgruppenversorger (EGV) gebunden. Ein MERZ besteht aus 26 Containern, die zweistöckig auf dem Oberdeck eines EGV aufgebaut und dabei auch in Teile der Schiffskonstruktion integriert werden können. Das MERZ verfügt über alles, was zur Notfallversorgung nötig ist. Dazu zählen eine OP-Abteilung mit zwei Operationsräumen, eine Bettenstation mit 22 Betten inklusive Intensivpflegeplätzen, eine Röntgen- und Laborabteilung, eine Apotheke sowie ein Bereich für die zahnärztliche Behandlung.

Zusammen mit dem Behandlungsraum des Schiffslazarettes, der im MERZ die Funktion des Schockraumes übernimmt und der an Bord anstelle eines Laderaumes festinstallierten Pflege-/Bettenstation wird eine Primärversorgungs- und postoperative Betreuungskapazität für maximal 45 Patienten erreicht. Der Bettenraum des Schiffslazarettes kann bei Bedarf auch als Isolierstation mit neun Betten genutzt werden. [1]

Die Ärzte, Fachärzte und Sanitätssoldaten im MERZ sind ein 28-48köpfiges Team, das ein weitreichendes Spektrum an Verletzungen behandeln kann. Dabei wird der fest zur Schiffsbesatzung gehörigen Schiffsarztgruppe vom Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr zusätzliches medizinisches Personal zu Seite gestellt, das für den Einsatzzeitraum an Bord verbleibt. [2] In der Regel werden diese Ärzte aus den Bundeswehrkrankenhäusern rekrutiert. Die Rüstzeit für den Aufbau, die Inbetriebnahme und die Bemannung eines MERZ liegt bei etwa einer Woche. Hinzu kommt die Fahrzeit auf See bis zum jeweiligen Einsatzort. Die Marine verfügte über zwei derartige Einsatzzentren [3], eins davon ist beim Brand einer Lagerhalle in Bremen am 22. Februar 2015 verbrannt. Die Container eines Marineeinsatzrettungszentrums (MERZ) wurden vernichtet. [4] Die darin normalerweise verstauten medizinischen Geräte waren zwar ausgebaut, da sie aber so konstruiert sind (Anschlüsse, Ventilation usw.), dass sie nur in Verbindung mit den Spezialcontainern einsetzbar sind, ist das gesamte System nicht mehr nutzbar.

Das zweite MERZ-System ist derzeit (2015) im Mittelmeer im Einsatz. Auch sonst befinden sich diese Systeme eher im Ausland. So waren die MERZ nach der Tsunami-Katastrophe in Süd-Ost-Asien, am Horn von Afrika und vor der Küste des Libanon im Einsatz [3].

Literatur:
[1]           www.marine.de
[2]          www.einsatz.bundeswehr.de
[3]          www.y-punkt.de
[4]          http://augengeradeaus.net/2015/02/marine-verliert-die-haelfte-ihrer-schwimmenden-krankenhaeuser/

Medizinische Geräte und Hilfsmittel Go To Top

Funktioniert ein Defibrillator auch auf nasser/feuchter Haut?

Generell kann davon ausgegangen werden, dass Defibrillatoren auch in nasser bzw. leitfähiger Umgebung sicher genutzt werden können, solange ein direkter Kontakt mit dem Patienten vermieden wird .[1]  Dennoch wird empfohlen, den Patienten soweit möglich ins Trockene zu bringen und/oder zumindest den Brustkorb abzutrocknen. Es ist nicht nur davon auszugehen, dass bei einem nassen Körper ein Teil der Defibrillationsenergie „sein Ziel nicht erreicht“ und statt durch den Thorax über die Oberfläche geleitet wird, auch die Klebeelektroden werden nicht besonders gut auf der nassen Haut haften, was diesen Effekt noch verstärken würde.

Literatur:
[1] Lyster, Tom.; Jorgenson, Dawn.; Morgan, Carl. (2003): The safe use of automated external defibrillators in a wet environment. In: Prehospital emergency care

Können medizinische Geräte von Land an das Bordnetz angeschlossen werden?

Schiffs-Bordnetze haben in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Frequenz von 60 Hz. Grundsätzlich sind elektrotechnische Maßnahmen zur Änderung dieser Frequenz, bzw. der Anpassung der Geräte möglich und in den entsprechenden Netzteilen auch in der Regel enthalten (z. B. Netzteil-Input 100-240 V, 50-60 Hz). Zudem existieren auf 60 Hz einstellbare Signalfilter zur Verbesserung des EKG-Signals. Entscheidend ist also einerseits die Ausführung der Geräte bzw. der Bordmittel. Andererseits müssen die vorhandenen Netzstecker natürlich vom Formfaktor her in die bordseitig vorhandenen Steckdosen passen.

Medizinisches Personal an Bord / Schiffsarzt Go To Top

Können Sichtungs-, Sanitäts- und Betreuungsaufgaben vom Bordarzt delegiert werden?

Bordärzte sind nur auf Kreuzfahrtschiffen sowie auf ausgewählten Forschungs- und Marineschiffen verfügbar. Auf Handels- sowie auf Fährschiffen müssen medizinische Aufgaben durch entsprechendes ausgebildetes nautisches Personal (regelhaft der 2. Nautische Offizier) wahrgenommen werden. Während der maritimen Ausbildung muss seefahrendes Personal ein Befähigungszeugnis nach STCW ablegen sowie alle 5 Jahre einen Auffrischungskurs Medical Refresher nachweisen. Juristisch gesehen ist die medizinische Hilfe eines nautischen Offiziers gleichzusetzen mit einer Laienhilfe.

Geplant delegiert werden dürfen alle Aufgaben, die nicht Kern ärztlichen Handelns sind. Das schließt Befundung, Diagnose, Medikation und Heileingriffe aus. Ebenso besteht vor einer Delegation die Pflicht zur Prüfung des medizinischen Wissens von Hilfspersonen. Die Pflichten zur Überwachung der delegierten Aufgabe durch den Arzt bleiben bestehen! In Notsituationen ist ein weiter Radius zu ziehen, da eine Pflichtenkollision beim Arzt bestehen wird.

Die Sichtung von Verletzten oder Erkrankten während eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) ist grundsätzlich ärztliche Aufgabe. An Land hat sich insbesondere bei unübersichtlichen Schadenslagen das Konzept der „Vorsichtung“ durch nicht-ärztliches medizinisches Personal etabliert. Auf See könnte diese Aufgabe durch das Hospitalpersonal übernommen werden. Diese „Vorsichtung“ ersetzt keine ärztliche Sichtung.

Sanitäts- und Betreuungsaufgaben können dagegen nach ärztlicher Delegation und Überwachung von entsprechend geschultem nicht-ärztlichem medizinischem Personal übernommen werden. Der Umfang richtet sich immer nach der Qualifikation und Verfügbarkeit des vorhandenen Personals.
Sanitätsaufgaben können beispielsweise an das Hospitalpersonal, medizinisch geschulte Passagiere oder nautisches Personal delegiert werden. Betreuungsaufgaben können auch von weiteren Besatzungsmitgliedern übernommen werden.

Meldeverfahren Go To Top

Was ist das National Single-Windows-System? Wie ist der Stand der Umsetzung in Deutschland?

In Deutschland besteht bereits seit 1994 auf Basis der Anlaufbedingungsverordnung bzw. nachfolgend auch der Seeschifffahrtsstraßen-Verordnung die Pflicht für alle Schiffe, die deutsche Häfen anlaufen und Gefahrgüter transportieren, bei jedem Anlauf bestimmte Daten an die Zentrale Meldestelle zu übermitteln. Dabei handelt es sich um Namen, Rufzeichen, Schiffstyp, Flaggenstaat, Bestimmungshafen, Tiefgang sowie die Information über spezielles Gefahrgut an Bord. Als Zentrale Meldestelle ist dabei in der aktuellen Fassung der Anlaufbedingungsverordnung das Maritime Lagezentrum des Havariekommandos in Cuxhaven festgelegt. Die einkommenden Daten werden in der Zentralen Meldestelle in das Zentrale Meldesystem für Gefahrgut und Schiffsverkehre (ZMGS) der Bundesrepublik Deutschland gespeichert.

Weitere Verordnungen fordern die Meldung anderer Informationen, wie beispielsweise den Security-Report, Zollerklärungen oder Angaben zu Schiffsabfällen und Ladungsrückständen. Auf Basis der internationalen Gesundheitsvorschriften sind Schiffe zudem verpflichtet, vor Anlaufen eines Hafens eine Seegesundheitserklärung abzugeben. Diese gibt u.a. darüber Auskunft, ob an Bord Personen erkrankt sind oder der Verdacht auf eine Erkrankung besteht. In der Vergangenheit wurden diese verschiedenen Informationen durch die Schiffe an verschiedene Stellen und auf verschiedenen Wegen (email, Fax, Papierformular usw.) gemeldet. Zudem waren die Meldepflichten und Meldewege in den verschiedenen Europäischen Staaten unterschiedlich geregelt. Da aber Schiffsunfälle häufig länderübergreifende Auswirkungen haben, begann man in der EU mit dem Aufbau des SafeSEaNet, um einen gesamteuropäischen Überblick über den Schiffsverkehr und mögliche Gefahren zu bekommen und Daten besser untereinander austauschen zu können.

Mit Inkrafttreten der Richtlinie 2010/65/EG des EU-Parlaments und des Rates zur Vereinfachung und Harmonisierung von Meldeformalitäten im Seeverkehr wurde dementsprechend jedes EU-Land verpflichtet, bis zum 01. Juni 2015 ein elektronisches System (National Single Window – NSW) einzurichten Dieses erfasst zentral alle Meldungen von ein- und ausgehenden Schiffen in die Häfen des jeweiligen Mitgliedsstaates. Durch die Einrichtung des NSW sind alle erforderlichen Informationen für einen Hafenbesuch nur einmal vom Meldepflichtigen zu melden. Der neue Anmeldevorgang erfordert eine Anlaufreferenznummer, die der Meldepflichtige vor den eigentlichen Schiffsmeldungen bei den zuständigen Meldestellen beantragen muss. Die zentral erfassten Daten können dann - je nach Zugangsrechten - von zuständigen Behörden (Zollämter, Gesundheitsämter, …) aus der NSW-Zentrale abgerufen werden. Desweiteren werden Teile dieser Daten anderen Mitgliedstaaten auf Anforderung über SafeSeaNet zur Verfügung gestellt. Die technische Bereitstellung des Systems erfolgt durch das ITZ Bund (Informations- und Technik-Zentrum Bund) im Auftrag der Bundesverkehrsverwaltung.

Die Umstellung der bisher üblichen Meldeprozesse auf das NSW-Meldesystem ist derzeit in Deutschland im Gange und - wie häufig bei der Einführung neuer Systeme - treten dabei verschiedene Probleme, technischer sowie organisatorischer Natur auf. Derzeit gibt es verschiedene Übergangslösungen, die teilweise umständlich sind und das Potential des NSW (noch) nicht vermitteln können. Nicht nur die Behörden, auch die Reedereien und die Schiffsführungen müssen sich auf die neuen Meldeprozesse einstellen. Dies wird noch einige Zeit dauern, bis es zur alltäglichen Routine gehört.

Wenn es wirklich gelingt, ein einheitliches Meldesystem zu etablieren, welches durch alle Beteiligten einfach bedienbar und hinsichtlich des Datenschutzes sicher zu betreiben ist, so würde dies einen wichtigen Fortschritt für die Schifffahrt und deren Sicherheit darstellen. Im Havariefall und auch bei einem Massenanfall von Patienten auf See würde so die (internationale) Zusammenarbeit von Behörden und Rettungskräften vereinfacht werden können.

Literatur:
www.national-single-window.de
www.deutsche-flagge.de/de/sicherheit/isps/meldepflichten/meldepflichten#rechtsgrund-lagen
https://www.itzbund.de/DE/ITLoesungen/NSW/NSW_node.html

Wo ist der Unterschied zwischen dem „Point of Contact“, der Zentralen Meldestelle und dem MRCC?

Die Einrichtung eines Point of Contact (PoC) geht auf die Umsetzung der Vorgaben des ISPS-Codes zurück. Der wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erarbeitet, um Schiffe und Häfen besser vor terroristischen Anschlägen zu schützen. In der Europäischen Union wurde der ISPS-Code durch die Verordnung EC 725/2004 umgesetzt, die 2004 in Kraft trat. Darin heißt es in Regel 7 (Drohungen gegen Schiffe):
"Die Vertragsregierungen benennen eine Kontaktstelle, über welche diese Schiffe um Rat oder Unterstützung ersuchen können und an die sie über etwaige Sicherheitsbedenken in Bezug auf andere Schiffe, Bewegungen oder den Nachrichtenverkehr berichten können."
Um dieser Forderung Genüge zu tun, wurde als so genannter Point of Contact zunächst die Verkehrszentrale des Wasser- und Schifffahrtsamtes Wilhelmshaven benannt. Auf Basis der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Küstenländern zur Schaffung des Maritimen Sicherheitszentrums (MSZ) ist die Kontaktstelle inzwischen im Maritimen Sicherheitszentrum (MSZ) in Cuxhaven angesiedelt. Der Point of Contact im eigentlichen und nach derzeitiger Gesetzeslage (2016) immer noch gültigen Sinne ist also ein Ansprechpartner für Schiffe, die sich einer kriminellen/terroristischen Bedrohung ausgesetzt sehen. Das kann beispielsweise ein Terroranschlag oder eine Geiselnahme sein. Der PoC soll somit die Kommunikationsstelle zwischen Schiff und Sicherheitsbehörden des jeweiligen Staates darstellen.

Der Begriff PoC wird auch gelegentlich etwas irreführend als Synonym für die Zentrale Meldestelle verwendet. Alle Schiffe, die einen deutschen Hafen anlaufen, müssen hierhin bestimmte Informationen überliefern (siehe auch Single-Windows-System). Diese Meldestelle ist ebenfalls im MSZ in Cuxhaven angesiedelt.

Das MRCC (Maritime Rescue Coordination Center) Bremen nennt sich selbst auf seiner Webseite „National Maritime SAR Point of Contact“, so dass dieser Begriff hier erneut fällt. Tatsächlich taucht dieser Begriff in verschiedenen IMO-Regularien auf. Point of Contact heißt übersetzt einfach „Ansprechpartner“. Da es für verschiedene Dinge durchaus verschiedene Ansprechpartner gibt, ist diese Bezeichnung oft verwirrend. Das MRCC Bremen ist in der Regel für viele Schiffe der erste Ansprechpartner bei einem Seenotfall. Es wird von der DGzRS betrieben. Im MRCC werden die Alarme entgegengenommen und die nachfolgenden SAR-Aktivitäten koordiniert, in der Regel auch in Zusammenarbeit mit dem MSZ in Cuxhaven.

Zusammenfassung:
Point of Contact: Ansprechpartner für kriminelle/terroristische Bedrohungen à im MSZ Cuxhaven
Zentrale Meldestelle: Annahme der Anlaufdaten einkommender Schiffe -> im MSZ Cuxhaven
MRCC: Ansprechpartner für Seenotfälle -> DGzRS in Bremen -> ggf. Weiterleitung an MSZ in Cuxhaven

Die Einrichtung des MSZ in Cuxhaven bündelt also letztendlich alle eingehenden Meldungen.

Entspricht die derzeitige Seegesundheitserklärung noch der Entwicklung in der Schifffahrt?

Die Seegesundheitserklärung war ursprünglich für Handelsschiffe beim ersten Anlauf in einem deutschen Hafen gedacht. Sie findet genauso Anwendung für Kreuzfahrtschiffe, ist für hohe Aufkommen an Menschen jedoch nicht aussagefähig genug. Sollte eine Seegesundheitserklärung speziell für Kreuzfahrschiffe modifiziert werden?

Auf einem Kreuzfahrtschiff reisen je nach Kapazität zwischen 60 und 6400 Passagiere und Crewmitglieder. Hier sind Angaben zu Erkrankungsfällen vielseitig und von der Priorität hinsichtlich der Infektionsgefährdung an Bord unterschiedlich zu bewerten. Für jede Seegesundheitserklärung wäre es fachlich empfehlenswert, Anlagen zu entwickeln, die ohne großen Aufwand elektronisch auszufüllen und an die Hafenärztlichen Dienste zu übermitteln sind. Die Angaben sollten für alle Kreuzfahrtschiffe einheitlich und standardisiert sein.

Wichtig für eine Seegesundheitserklärung sind die Regionen, die befahren werden. Eine Kreuzfahrt in Europa weist weniger infektiöse Risiken auf, als Fahrten nach Asien oder Afrika. Kreuzfahrten im Ostseeraum sind wiederum anders zu bewerten als Kreuzfahrten im Mittelmeerraum oder Pazifik. Manche Schiffe legen täglich in verschiedenen Häfen an, andere Schiffe befinden sich bis zu 6 Tage ohne Hafenstopp auf See. Bei Repositioning-Routen über den Atlantik oder andere Regionen werden zusätzlich noch Häfen angelaufen, die das Schiff im normalen Rundreiseverlauf nicht anlaufen würde.

Entscheidend für Infektionserkrankungen sind die Region und die Jahreszeit einer Kreuzfahrt. Bei einer Kreuzfahrt in der Grippesaison können aufsteigende Passagiere aus endemischen Gebieten zu einer Häufung von Influenza an Bord führen. Die internationale Zusammensetzung von Crew und Passagieren spielt ebenfalls eine Rolle. Reisen Passagiere mit dem Flugzeug zum Kreuzfahrtschiff, bekommen auch Infektionen mit kurzer Inkubationszeit aus der Heimatregion der Passagiere eine Bedeutung. Durch den Flugverkehr können sich für die Zielregion untypische Infektionen schneller verbreiten und auf ein Kreuzfahrtschiff eingetragen werden. Selbst bei beispielhafter allgemeiner Hygiene sowie streng kontrollierter Küchenhygiene (HACCP-Konzept) kann nicht verhindert werden, dass sich Passagiere bestimmten Infektionsrisiken auf Landausflügen aussetzen. Nicht jede Infektion an Bord hat auch ihre Infektionsquelle an Bord.

Seit dem 1. Juni 2015 müssen Schiffsanläufe in europäische Häfen elektronisch gemeldet werden. In nationaler Umsetzung der Richtlinie 2010/ 65/ EU erfolgt auch die Abgabe der Gesundheitsmeldung in elektronischer Form. Dies erfolgt über das National Single Window. Bei Anfahrt eines Hafens in einem neuen Staat muss eine Seegesundheitserklärung vom Schiff 24 Stunden vor dem Einlaufen übermittelt werden und bei Bedarf innerhalb der 24 Stunden aktualisiert werden. Die Meldung enthält gesundheitsrelevante Informationen bezüglich der Schiffsreise sowie der an Bord befindlichen Passagiere und Crew. Die Informationen erfolgen auf der Grundlage des Artikels 37 der Internationalen Gesundheitsvorschriften von 2005. Werden eine oder mehrere Fragen der Seegesundheitserklärung mit „Ja“ beantwortet, ist die Gesundheitsmeldung mit entsprechenden Angaben im Anhang zu ergänzen und an Bord vorzuhalten. Erfolgt die Meldung 24 Stunden vor Anfahrt, bleibt dem Hafenärztlichen Dienst ausreichend Zeit, den Bordbesuch vorzubereiten. Diese Meldung hat nur Sinn, wenn das Schiff zwischen zwei Häfen einen Tag auf See ist. Im Ostseeraum beträgt bei Passagierwechseln die Zeit zwischen dem beendeten Aufstieg in dem Ausgangshafen und dem Einlauf im Zielhafen manchmal weniger als 10 Stunden.

Die Abfertigung der Kreuzfahrtschiffe im Zielhafen sollte zügig erfolgen, da ein hohes wirtschaftliches Interesse von Seiten der Tourismusbranche (geplante Tagesfahrten und Ausflüge mit Terminen für gebuchte Veranstaltungen) besteht. Die Behörden haben angemessen zu agieren. Die Erteilung des Freigabescheines Free Pratique kann nur reibungslos erfolgen, wenn dem Hafenärztlichen Dienst ausreichende Informationen darüber vorliegen, dass keine ansteckenden Krankheiten eingeschleppt bzw. verbreitet werden können.

Bei der Beantwortung der Fragen der Seegesundheitserklärung gibt es keine standardisierte Vorgehensweise. Es gibt Schiffe, die die Angabe zu aktuell erkrankten Personen an Bord sehr weit fassen. Es werden sogar noch Erkrankungen gemeldet, welche schon längere Zeit zurückliegen. Für den Arzt des Hafenärztlichen Dienstes sind Angaben zur Inkubationszeit wichtig. Nur Erkrankungen, die in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen, können ein Hinweis auf den Beginn bzw. Verlauf eines eventuellen Ausbruchs sein.

Am zahlreichsten sind Häufungen von Infektionen des Magen-Darm-Traktes. Um diese bewerten zu können, ist die Übermittlung eines Gastrointestinal Illnes Reports hilfreich. Hierbei sind die Hafenärztlichen Dienste auf die Kooperation der Schiffsärzte an Bord von Kreuzfahrtschiffen angewiesen. Aus Datenschutzgründen übermittelt leider nicht jedes Schiff diesen Bericht. Es besteht auch keine Verpflichtung seitens einer Reederei. Im Gastrointestinal Illness Report findet der Hafenärztliche Dienst ausführliche Informationen zum Vorstellungsdatum, Erkrankungsdatum, Alter und Geschlecht sowie zur Zuordnung des Patienten zu Crewmitgliedern oder zur Passagiergruppe mit der entsprechenden Kabinenangabe. Bei Crewmitgliedern wird der Tätigkeitsbereich angegeben. Symptome wie Durchfall, Blut im Stuhl, Übelkeit und Erbrechen, Fieber, Bauchkrämpfe, Myalgien und Grunderkrankungen werden aufgeführt. Außerdem gibt es Auskunft zu entnommenen Stuhlproben, eventuell verabreichten Medikamenten, ambulanten Wiedervorstellungen bzw. Isolationsmaßnahmen.

Für die Influenzasaison wäre eine Meldung der aufgetretenen behandlungsbedürftigen akuten respiratorischen Infektionen (ARI Statistical Calculation) mit Fieber günstig. Es gibt keine einheitliche internationale Regelung, ab welcher Anzahl von Erkrankungen der Hafenärztliche Dienst agieren muss. Diese Angabe sollte prozentual definiert werden. Wenige Erkrankungen auf einem Schiff mit ca. 5000 Personen an Bord sind kein Hinweis auf einen Ausbruch. Es können Einzelerkrankungen ohne einen unmittelbaren Zusammenhang sein. Bei erkranktem Personal ist die Angabe zur Tätigkeit auf dem Schiff notwendig. Erkranktes Personal mit einem direkten Kontakt zu Passagieren oder aus dem Küchenbereich stellt eventuell ein allgemeines Infektionsrisiko dar.

Es gibt Kreuzfahrtunternehmen, die an Bord ein Ampelsystem (rot, orange, gelb, grün) installiert haben. Ab einer bestimmten Anzahl von erfassten Erkrankungen werden Maßnahmen ergriffen, um eine Ausbreitung der Erkrankungen zu unterbinden. Bei einzelnen Kreuzfahrtschiffen wird bei über 1,1 % der Erkrankungsfälle agiert. Spezialteams werden für Reinigung und Desinfektion eingesetzt. Dies erfolgt unabhängig von den Anordnungen der Hafenärztlichen Dienste. Erkrankungsraten unter 0,5 % gelten als unauffällig.

Es wäre förderlich, wenn alle Kreuzfahrtschiffe verpflichtend solch eine Gefährdungsbeurteilung durchführen würden. Der momentan in der Seegesundheitserklärung zur Verfügung stehende Anhang ist nicht ausreichend, um alle notwendigen Informationen für den Hafenarzt bereit zu stellen. Schiffsärzte arbeiten teilweise mit handschriftlichen Anmerkungen auf der Seegesundheitserklärung. Der notwendige Bordbesuch für die Erteilung der Free Pratique könnte zügiger vorbereitet und durch entsprechende Rückfragen während der Anfahrt zeitlich verkürzt werden. Um den Verwaltungsaufwand an Bord zu minimieren, sollten alle Berichte elektronisch erstellbar und übermittelbar sein. Zwischen den Kreuzfahrtschiffen und den Hafenärztlichen Diensten ist ein direkter Kontakt zu optimieren. Das setzt voraus, dass sowohl auf der Seite der Hafenärztlichen Dienste sowie auf Seiten der Kreuzfahrtschiffe die technischen Voraussetzungen geschaffen und international standardisiert werden.

https://www.kiel.de/leben/gesundheit/hafenaerztlicher_dienst/information_ships_doctors/MaritimeDeclarationofHealth.pdf

Notliegeplatz Go To Top

Was ist ein Notliegeplatz?

Für den Fall, dass ein Schiff mit Infektionsgefahren an Bord einen deutschen Hafen anlaufen muss, sind durch das Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften [1] die Häfen der Städte Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Kiel, Rostock und der Jade-Weser Port in Wilhelmshaven als mögliche Anlaufhäfen ausgewiesen. Diese Häfen müssen bestimmte Kernkapazitäten für die Durchführung von Infektionsschutzmaßnahmen vorhalten und sind an die WHO zu melden.
Auch wenn die Schaffung von benannten Häfen mit besonderes für den Gesundheitsschutz ausgelegten Kernkapazitäten durch die IGV vorgeschrieben ist, so ist das Recht auf Anlaufen eines solchen Hafens nicht rechtlich festgelegt.
Dies gilt auch für andere Schiffshavarien: Das uneingeschränkte Recht, einen Nothafen anlaufen zu dürfen, ist derzeit (2015) weder in EU-Recht noch in nationalen Regelungen niedergelegt. Der Staat, zu dessen Hafen das Schiff Zugang erbittet, muss eine Interessenabwägung treffen. Der Zugang darf verwehrt werden, wenn die Gefahren durch Einlaufen des Havaristen größer sind als bei seinem Verbleib auf See. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine Menschenleben direkt auf dem Schiff bedroht sind [2].
Nach derzeitigem Stand gibt es keine festgeschriebenen Standards für einen Nothafen oder Notliegeplatz. Zudem sehen die EU-Richtlinien auch keine ausdrückliche Ausweisung von Notliegeplätzen für andere Schiffshavarien, wie beispielsweise Brand, vor. Die Zuweisung in geeignet erscheinende Häfen obliegt einer Einzelfallentscheidung der zuständigen nationalen Behörden. In Deutschland gilt die „Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Freien Hansestadt Bremen, der Freien und Hansestadt Hamburg und den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein über die Zuweisung eines Notliegeplatzes im Rahmen der Maritimen Notfallvorsorge“ [3].

Darin ist der Begriff „Notliegeplatz“ wie folgt definiert:
Ein Notliegeplatz ist jeder Liegeplatz, wie zum Beispiel abgrenzbare Teile einer Bundeswasserstraße, Reeden, Häfen, Teile eines Hafens, Schleusen, Docks, der einem Schiff aufgrund einer komplexen Schadenslage zugewiesen werden kann.

Weiterhin ist in dieser Vereinbarung festgelegt:
Die Hafenkapitäne und die Wasser- und Schifffahrtsämter übermitteln dem Havariekommando eine Beschreibung der Liegeplätze mit Angaben insbesondere über Abmessungen, Tidefenster usw. sowie darüber hinaus deren Ausrüstung mit Unfallbekämpfungsgerät, Krane, Anschlüsse und die Abstände zur Bebauung.

Wird zur Bekämpfung einer komplexen Schadenslage die Zuweisung eines Notliegeplatzes erforderlich, so sind folgende Verfahrensschritte durchzuführen:

  • Feststellung der wesentlichen Rahmendaten von Schiff und Ladung
  • Falls erforderlich können Art und Umfang möglicher Risikofaktoren durch geeignete Sachverständige an Bord untersucht werden
  • Erstellung einer Notfallanalyse
  • Risikoabwägung Verbleiben des Schiffes auf See/Anlaufen Nothafen. Das Ergebnis der Risikoabwägung, insbesondere die Gründe für ein Verbleiben auf See, ist schriftlich zu dokumentieren.
  • Auswahl eines geeigneten Notliegeplatzes anhand der Notfallpläne und unter Abwägung der relevanten Risiken
  • Einvernehmliche Entscheidung für einen Notliegeplatz mit den Beteiligten (Konsensverfahren)
  • Zuweisung des Notliegeplatzes

Ist eine einvernehmliche Entscheidung zwischen den Beteiligten nicht herzustellen, so weist der Leiter des Havariekommandos einen Notliegeplatz zu.
Dementsprechend übermitteln die Hafenkapitäne und die Wasser- und Schifffahrtsämter dem Havariekommando eine Beschreibung der Liegeplätze in ihren Häfen und deren Ausrüstung in Bezug auf eine Havariesituation. Wichtige Entscheidungskriterien zur Aufnahme von havarierten Schiffen sind dabei u.a.: [4]

  • Liegeplatzparameter (Länge, Breite, Tiefe)
  • Liegeplatzausrüstung (Festmacher/Poller, Wasseranschlüsse, Stromanschlüsse, Kräne)
  • Havarietechnik im Umfeld (Schlepper, Feuerlöschboote bzw. Feuerlöscheinrichtung, ggf. Ölauffangschiffe oder Ölauffangtechnik)
  • Personal (Brandbekämpfungseinheiten, medizinisches Personal, Entsorgungsspezialisten, Havarietaucher,…)

Die Entscheidung über die Auswahl und Zuweisung zu einem Notliegeplatz trifft in Deutschland also letztendlich der Leiter des Havariekommandos. Dies erfolgt immer als Einzelfallentscheidung in Bezug auf die konkrete Situation. Dementsprechend gibt es keine Unterscheidungen nach Frachtschiff oder Passagierschiff bzw. nach Art der Havarie (Brand, Kollision,…). Lediglich für Schiffe mit Infektionsgefahr gelten die bereits oben genannten Regelungen, auch dies sind jedoch nur Rahmenvorgaben, deren Umsetzung im konkreten Einzelfall flexibel erfolgen kann.

Literatur:
[1]           Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV-Durchführungsgesetz - IGV-DG) vom 21. März 2013 (BGBl. I S. 566)
[2]           Inken von Gadow-Stephani „Der Zugang zu Nothäfen und sonstigen Notliegeplätzen für Schiffe in Seenot“, Springer Verlag 2006,
[3]           Gesetz zur Notliegeplatzverordnung ([NotLPlVbgG)
[4]           http://schiw.sf.hs-wismar.de/siw/paper/heft4/beitrag11

Personennachverfolgung Go To Top

Gibt es für den Schiffsverkehr äquivalent zum Flugverkehr für Passagiere mit Infektion oder -verdacht sogenannte Aussteigekarten zu Nachverfolgung?

Für den Flugverkehr gibt es die Regelung, dass Personen aus Flugzeugen, in denen Infektionsverdacht oder tatsächliche Fälle auftraten, Aussteigekarten erhalten, damit die Heimatkreise informiert werden können und die Personen-Nachverfolgung erleichtert wird.

In den internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) [1],[2] Artikel 23 Absatz 1 ist festgelegt, dass ein Vertragsstaat bei Ankunft oder Abreise für die Zwecke des Gesundheitsschutzes Folgendes verlangen kann:

  1. Informationen zum Zielort des Reisenden, damit Kontakt mit dem Reisenden aufgenommen werden kann;
  2. Informationen zur Reiseroute des Reisenden, um feststellen zu können, ob im oder nahe dem betroffenen Gebiet Reisen stattgefunden haben oder ob es andere mögliche Kontakte zu Infektions- oder Verseuchungsquellen vor der Ankunft gab, und Prüfung der Gesundheitsdokumente des Reisenden, wenn diese aufgrund dieser Vorschriften erforderlich sind

Das heißt, die IGV sind allgemein formuliert und beschränken sich nicht auf den Flugverkehr. Allerding werden in diesem Punkt die Entscheidung und die Verantwortlichkeiten an die Vertragsstaaten abgegeben. Deutschland als Vertragsstaat hat die nationale Umsetzung der IGV durch eine Durchführungsverordnung geregelt [3], die allerding erst 2013 beschlossen worden ist. Darin wird unter § 12 „Ermittlung von Kontaktpersonen“ nur für den Flugverkehr explizit auf den Einsatz von Aussteigerkarten eingegangen.

Konkret heißt es:

  1. Das Bundesministerium für Gesundheit kann allgemein anordnen, dass Reisende, die aus betroffenen Gebieten ankommen, vor dem Verlassen des Luftfahrzeugs in einem Formular, der Aussteigekarte, Angaben zum Flug und zur persönlichen Erreichbarkeit in den auf die Ankunft folgenden 30 Tagen zu machen haben. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gibt die allgemeine Anordnung in der für den Luftverkehrsbereich üblichen Weise bekannt. Die Aussteigekarte soll dem Muster der Anlage 1 zu diesem Gesetz entsprechen.
  2. Die Luftfahrtunternehmen haben die Aussteigekarten den Reisenden auszuhändigen; sie haben die Reisenden beim Ausfüllen zur Lesbarkeit und Vollständigkeit anzuhalten und die ausgefüllten Aussteigekarten unverzüglich dem für den Zielflughafen zuständigen Gesundheitsamt zu übergeben.
  3. Wenn an Bord eines Luftfahrzeugs eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder ein entsprechender Verdacht festgestellt wird, so kann das für den Zielflughafen zuständige Gesundheitsamt anordnen, dass die Reisenden vor dem Verlassen des Luftfahrzeugs eine Aussteigekarte auszufüllen haben. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

Dementsprechend liegt die Weisungsbefugnis für die Ausgabe von Aussteigekarten für Flugreisende beim Bundesministerium für Gesundheit, wenn es sich um eine Anordnung allgemeiner Art (also für das gesamt Bundesgebiet oder größere Teilgebiete handelt) bzw. beim Gesundheitsamt eines betroffenen Zielflughafens.
Für den Seeverkehr sind keine konkreten Durchführungsbestimmungen festgelegt worden. In § 20, Absatz 4 „Rechtsverordnungsermächtigung“ der Durchführungsbestimmungen [3] wird das Bundesministerium für Gesundheit jedoch ermächtigt, bei Bedarf derartige Bestimmungen zu erlassen.

Zusammenfassung:
Eine konkrete deutsche Regelung hinsichtlich des Verfahrens, der Verantwortlichkeiten und Weisungsbefugnisse bezüglich der Patientennachverfolgung von Schiffspassagieren (z.B. mit Hilfe von Aussteigekarten) gibt es derzeit (Stand 2015) nicht.

Literatur:
[1]            Gesetz zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) vom 23. Mai 2005
[2]           Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil II Nr. 23, ausgegeben zu Bonn am 27. Juli 2007
[3]           Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) und zur Änderung weiterer Gesetze vom 21. März 2013

Telemedizin Go To Top

Was besagt das Fernbehandlungsverbot in Deutschland?

Das so genannte Fernbehandlungsverbot ergibt sich aus einer Formulierung in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer (BÄK). Die Bundesärztekammer ist die Arbeitsgemeinschaft der 17 Landesärztekammern und somit ein organisatorischer Zusammenschluss von Körperschaften öffentlichen Rechts. Die Bundesärztekammer selbst ist keine Körperschaft, sondern ein nichteingetragener Verein. Der einzelne Arzt gehört der BÄK lediglich mittelbar über die Pflichtmitgliedschaft in seiner Landes-Ärztekammer an. Die Landesärztekammern (LÄK) sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Jeder Arzt ist Pflichtmitglied der Ärztekammer des jeweiligen Bundeslandes, in dem er seine ärztliche Tätigkeit ausübt.
Die Musterberufsordnung der BÄK ist vom Grundsatz her eine empfehlende Richtlinie. Der für die Fragestellung relevante Paragraph ist §7, Absatz 4. In der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015 in Frankfurt am Main wird darin Folgendes formuliert [1]:

Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt.

Die einzelnen Länderärztekammern haben diese Formulierung auf unterschiedliche Weise in ihre jeweils für das Land gültigen Berufsordnungen übernommen. Diese Berufsordnungen sind dann für die in den jeweiligen Länderkammern organisierten Ärzte verbindlich. Für die Küstenländer sind die jeweiligen Formulierungen im Folgenden aufgeführt:

Mecklenburg-Vorpommern [2] (Fassung vom 15.01.2014)

Der Arzt darf individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Dies gilt nicht für telemedizinische Verfahren, sofern gewährleistet ist, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt.

Niedersachsen [3] (Fassung vom 27.11.2012, in Kraft seit 01.02.2013)

Der Arzt darf individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, weder ausschließlich brieflich noch in Zeitungen oder Zeitschriften noch ausschließlich über Kommunikationsmedien oder Computerkommunikationsnetze durchführen.

Schleswig-Holstein verwendet die gleiche Formulierung wie Niedersachsen [4] (Fassung vom 28.04.2008)

Die Hansestadt Hamburg hat in ihrer „Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen“ in der Fassung vom 02.12. 2013, in Kraft ab 10.03. 2014 die Vorgabe der Bundesärztekammer wortgleich übernommen [5].

Das gleiche gilt für die Hansestadt Bremen (Fassung vom 21.11.2011) [6].

In Bezug auf die Telemedizin haben also nach derzeitigem Stand die Ärzte aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein keinerlei Problem, da dieses Wort in ihrer Berufsordnung gar nicht vorkommt. Es wird lediglich gesagt, dass der Patient nicht ausschließlich über Kommunikationsmedien behandelt werden darf. Wurde er also vor der telemedizinischen Beratung oder wird er danach durch den Arzt direkt von Angesicht zu Angesicht behandelt, ist diesem Paragraph Genüge getan. Die Ärzte aus Hamburg und Bremen müssen die Bedeutung des Wortes „unmittelbar“ auslegen.

Der Duden [7] gibt dazu folgende mögliche Bedeutungen an:

  1. nicht mittelbar, nicht durch etwas Drittes, durch einen Dritten vermittelt; direkt
  2. durch keinen oder kaum einen räumlichen oder zeitlichen Abstand getrennt
  3. direkt; geradewegs [durchgehend]

Für den Fall eines Unfalles auf See im Bereich der Nord- und Ostsee kann ggf. Bedeutung unter 2. verwendet werden, da davon auszugehen ist, dass die Behandlung durch den Arzt im Normalfall in „kaum einem“ zeitlichen Abstand (ca. 1h) erfolgen wird. Somit kann dem Paragraphen in dieser Formulierung Genüge getan werden und Telemedizin zum Einsatz kommen.

Die Formulierung aus Mecklenburg-Vorpommern ist sehr missverständlich, da sie einerseits den ersten Satz negiert, was bedeuten würde, dass die ausschließliche Behandlung über Medien zulässig wäre. Andererseits wird wieder eindeutig die unmittelbare Behandlung des Patienten durch einen Arzt gefordert.

In allen Berufsordnungen der 5 Küstenländer findet sich jedoch wortgleich der Paragraph 2, Absatz 1:

Der Arzt übt seinen Beruf nach seinem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Er darf keine Grundsätze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit seiner Aufgabe nicht vereinbar sind oder deren Befolgung er nicht verantworten kann.

Durch diese Formulierung ist der Arzt nur dem Wohle des Patienten verpflichtet und darf entsprechend nach eigenem Gewissen entscheiden, wie in einer Situation am besten zu handeln ist. Das bedeutet, dass er ggf. auch das „Fernbehandlungsverbot“ ignorieren darf, wenn er dessen Befolgung nicht verantworten kann.

Zudem ist davon auszugehen, dass für den medizinischen Notfall auf See vor den Verordnungen der Länder primär das Seeaufgabengesetz des Bundes angewandt werden muss, welches ausdrücklich die Bereitstellung eines funkärztlichen Dienstes fordert. Allerdings gilt dieses nur für die Seeschifffahrt. Für Offshore-Anlagen gibt es (noch) keine klare Regelung; hier könnte möglicherweise dann wieder Landesrecht greifen.
Fast alle Offshore-Anlagen in der Nord- Und Ostsee befinden sich jedoch außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer (12 Meilen-Zone). Dort gilt internationales Seerecht, welches derzeit keine Aussagen über ein „Fernbehandlungsverbot“ enthält.
Zu beachten ist allerdings in jedem Fall der Datenschutz, denn Telemedizin funktioniert generell nicht ohne die Übertragung von patientenbezogenen Daten. Dafür ist die Zustimmung des Patienten notwendig und die verwendeten technischen Systeme müssen eine sichere Datenübertragung gewährleisten.

Fazit (Stand September 2015): In einem medizinischen Notfall auf See kann Telemedizin eingesetzt werden, wenn

  1. ein Arzt entscheidet, dass dies der für den Patienten in der jeweiligen Situation beste Weg ist, um ihm optimal zu helfen und
  2. sichergestellt ist, dass ein Arzt so schnell wie möglich eine Behandlung mit direktem Patientenkontakt vornehmen kann und
  3. der Datenschutz gewährleistet ist.

Aussagen von Experten, die diese Zusammenfassung stützen, finden sich u.a. in den Quellen  [8], [9], [10], [11], [12].

Literatur:
[1] http://www.bundesaerztekammer.de/recht/berufsrecht/muster-berufsordnung-aerzte/muster-berufsordnung/
[2] http://www.aek-mv.de/upload/file/aerzte/Recht/Rechtsquellen/Berufsordnung.pdf
[3] https://www.aekn.de/assets/Uploads/BO27112012.pdf
[4] http://www.therapie.de/fileadmin/dokumente/berufsrecht/Berufsordnung_AErztekammer_Schleswig-Holstein.pdf
[5] http://www.aerztekammer-hamburg.de/berufsrecht/Berufsordnung_gueltig_ab_dem_02_12_2013.pdf
[6] https://www.aekhb.de/data/mediapool/ae_re_rg_berufsordnung.pdf
[7] http://www.duden.de/rechtschreibung/unmittelbar
[8] http://www.telemedallianz.de/witm_rechtliches_fernbehandlungsverbot.html
[9] http://www.medizinanwalt.de/kein-fernbehandlungsverbot-in-deutschland-die-internetmedizin-kommt/
[10] http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/telemedizin-aerzte-streiten-ueber-verbot-von-online-diagnosen-a-933059.html
[11] http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/vertragsarztrecht/article/858126/baek-zweifel-fernbehandlungsverbot-wachsen.html
[12] http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/telemedizin/article/823547/telenotaerzte-leuchtturm-trotz-rechtlicher-huerden.html

Winschen Go To Top

Wo ist der Unterschied zwischen Rettungsschlinge und Winschgurt? Muss künftig beides vorgehalten werden?

Wie schon in der Fragestellung richtig vermutet, soll die Rettungsschlinge ausschließlich zur Personenrettung eingesetzt werden. Sie ist universell, also unabhängig von der körperlichen Beschaffenheit eines Menschen verwendbar. Der Winschgurt kann im Gegensatz dazu auf die speziellen körperlichen Eigenschaften des Retters eingestellt werden bzw. wird das durch diesen selbst beim Anlegen getan. Wird der Winschgurt richtig angelegt, so ist ein „heraus fallen“, wie bei der Rettungsschlinge schon geschehen, ausgeschlossen. Daraus ergibt sich, dass die Rettungsschlinge ausschließlich zur Rettung von Personen aus Gefahrensituationen zu benutzen ist. Diese Personen sind im Umgang mit solchen Einsatzmitteln ungeübt und deshalb muss ihre Verwendung einfach und schnell möglich sein. Sie sollte deshalb auch nur auf solchen Einsatzmitteln vorhanden sein, welche für diesen Einsatz vorgesehen sind wie beispielsweise SAR – Hubschrauber. Der Winschgurt ist ausschließlich durch Personen zu benutzen, welche in dessen Verwendung eingewiesen und durch regelmäßige Übungen damit vertraut sind wie beispielsweise die Einsatzkräfte der Feuerwehren in den BBE und VVT Teams.

Welcher Vorteil sich aus der Verwendung von Winschgurten ergibt, ist noch nicht abschließend geklärt. Diese sind erst relativ kurz im Einsatz. Auch wenn damit der absolut sichere Winschvorgang möglich ist, muss auch das anschließende Handling betrachtet werden. Wenn Feuerwehrkräfte auf einem Havaristen abgewinscht werden, so müssen sie dort sowohl den Winschgurt als auch den Überlebensanzug ablegen und einen für den Einsatz notwendigen Feuerwehrschutzanzug anlegen. Über die abgelegte Schutzausrüstung, die für das erneute Winschen bzw. Abbergen wieder benötigt wird, besteht in dem Zeitraum des Einsatzes an Bord keinerlei Kontrolle. Der Einsatz einer Rettungsschlinge in der gleichen Gefahrensituation würde sehr viel weniger Zeit beanspruchen.