Abschlussübung des Forschungsprojektes KOMPASS am 25. September 2017

Unterstützung bei Unfällen mit vielen Verletzten auf See

Verschiedene Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit, wie zum Beispiel der Brand auf der Fähre Lisco Gloria oder die Havarie der Costa Concordia vor der Insel Giglio zeigen, dass auf See Unfälle eintreten können, bei der Menschen in großer Zahl verletzt werden können. Auch durch Krankheiten kann es auf Fähr- und Kreuzfahrtschiffen zu Masseninfektionen kommen, bei denen die Schiffsbesatzung und die an Bord zur Verfügung stehende Ausrüstung an ihre Grenzen stoßen. Eine solche Situation wird als Massenanfall von Verletzten bzw. Patienten bezeichnet.

Während es für solche komplexen Schadenslagen an Land inzwischen erprobte Einsatzkonzepte gibt, ist dies für den See- und Hafenbereich bisher nicht der Fall. Einsatzübungen auf See haben gezeigt, dass schon die Versorgung von über zwanzig Verletzten mit den derzeitigen Mitteln eine große Herausforderung darstellen kann, da auf See besondere Bedingungen zu beachten sind.

Zum Beispiel können professionelle Helfer (Notärzte), je nach Seegebiet und Wetterlage, unter Umständen nur mit großer Verspätung und in begrenzter Zahl an Bord kommen. Dazu kommt: An Land einfach herbeizuschaffende grundlegende Hilfsmittel, wie zum Beispiel elektrischer Strom oder sauberes Wasser, stehen unter Umständen nicht zur Verfügung. Der auf einem Schiff eingeschränkte Platz wird durch eine Havarie (Schräglage, Verrauchung) möglicherweise noch mehr begrenzt. Auch der Vorrat an Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln an Bord des Schiffes ist limitiert. Zudem ist es auf See nicht ohne weiteres möglich, Patienten schnell oder überhaupt in Krankenhäuser an Land abzutransportieren.

Die Crew eines Schiffes ist also in einem solchen Fall oft viele Stunden auf sich allein gestellt und steht unter anderem vor der Herausforderung, die Verletzten an Bord zu finden, einen Behandlungsplatz aufzubauen, eine erste Sichtung der Patienten vorzunehmen und mit der Erstversorgung zu beginnen.

Das Forschungsprojekt KOMPASS, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, hat sich mit dieser Thematik intensiv beschäftigt. Projektpartner im Konsortium sind das Institut für Sicherheitstechnik / Schiffssicherheit e.V., die Universitätsmedizin Greifswald, das Unfallkrankenhaus Berlin, die mainis IT-Service GmbH, Corpuls Elektromedizinische Geräte sowie das Institut für Soziologie an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg. Die Forschungspartner haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren verschiedene technische und organisatorische Hilfsmittel entwickelt, um Schiffsbesatzungen bei der Bewältigung komplexer Schadenslagen in Zukunft besser unterstützen zu können. Dazu gehören:

  • Maßnahmekarten, die mögliche Erstmaßnahmen zur Bewältigung eines Massenanfalls auf See vorschlagen, zum Beispiel für den Aufbau eines Behandlungsplatzes
  • Ein tabletbasiertes Software-System, das den Vorgang der Sichtung unterstützt und Hinweise gibt, welche Patienten aufgrund ihrer Verletzungen wie transportiert werden müssen. Manche müssen zum Beispiel liegend transportiert werden, andere müssen mit Sauerstoff versorgt werden. Dadurch können die Patienten herannahenden Transportmitteln, wie zum Beispiel einem Rettungshubschrauber oder einem Seenotkreuzer, besser zugewiesen werden.
  • Ein Defibrillator in Kombination mit einer telemedizinischen Versorgung – so wird eine fachgerechte Anleitung von Land aus möglich
  • Ein System zur parallelen Sauerstoffversorgung von bis zu acht Patienten (zum Beispiel nach einer Rauchgasvergiftung)

Diese Projektergebnisse werden möglichen Endanwendern in einer Großübung am 25. September 2017 vorgestellt. Die Übung findet auf dem Traditionsschiff in Rostock-Schmarl statt. Das Übungsszenario sieht vor, dass nach einem Brand ca. 40 Personen verletzt worden sind. Dem Szenario nach befindet sich das Schiff auf See. Hilfe kann entsprechend erst nach einigen Stunden eintreffen. Die betroffenen „Passagiere“ werden von Statisten gespielt, nach bestimmten Verletzungsmustern geschminkt und auf dem Schiff verteilt. Die Crew, die durch Seeleute verschiedener Reedereien dargestellt wird, hat die Aufgabe, diese Situation ca. zwei Stunden lang mit den im Projekt entwickelten Hilfsmitteln zu bewältigen bis eine Übergabe an eintreffende Notärzte erfolgen kann. Die Auswertung der Übung soll zeigen, wie gut die neu entwickelten Projektergebnisse für den Einsatz in der Praxis bereits nutzbar sind und ob sie noch verbessert werden sollten.

Gleichzeitig bietet die Übung seemännischem Personal auch die Möglichkeit, die Bewältigung eines solchen Vorfalls auf See durchzuspielen, gedanklich vorzudenken und gegebenenfalls entsprechende Vorkehrungen an Bord zu treffen, um in einem Ernstfall noch besser vorbereitet zu sein.